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Bibliothekarische Stimmen. Independent, täglich.

Schlechte Sätze und gute Stories

Der Abschied vom langjährigen Arbeitgeber bietet vielfältige Möglichkeiten zur Reflektion. Eine hatte ich heute in einem Gespräch, das mit der Frage begann, was ich denn ändern würde in der Stabi. Es war ein ernst angelegtes Gespräch, also konnte ich die seit Monaten ausstehende Inbetriebnahme der dienstlich beschafften Wii nicht monieren (Insider erinnern sich: Es gab ein diesbezügliches öffentliches Versprechen von Frau Beger auf einer Podiumsdiskussion der Zukunftswerkstatt). Aber ich hatte immerhin die Gelegenheit, ein paar Sätze zu zitieren, die ich im Auskunftsdienst nur mit einer gewissen Scham gesagt habe:

  • Der Eingang zum Lesesaal ist hinten rechts in der Ecke dieses Raumes.
  • Geben Sie Ihre Daten in einem der PCs an der Holzwand ein und gehen Sie dann runter zum Serviceplatz, um sich den Ausweis ausstellen zu lassen, den Sie für die Bestellung hier oben brauchen.
  • Gehen Sie runter an den Kassenautomaten, bezahlen Sie 1,50 für die Online-Fernleihe und tauschen Sie den Kassenzettel dann beim Pförtner in den eigentlichen Fernleih-Coupon um.
  • Wählen Sie den Drucker Informationszentrum-A oder Informationszentrum B, geben Sie Ihrem Druckauftrag eine selbstgewählte Kennung plus Passwort, gehen Sie dann zu dem Drucker und betätigen Sie die Taste „Vertraulicher Druck“.
  • Schließen Sie Ihre Jacke und den Rucksack in einem der Schließfächer ein, nehmen Sie aber Ihren Ausweis mit und zeigen Sie ihn bei dem Pförtner vor dem Drehkreuz vor, der den Ausweis auf Gültigkeit überprüft.
  • Das Buch wird Ihnen dann ab morgen Mittag bereitgestellt.
  • Zur Medienwerkstatt gehen Sie in den Lesesaal 1 im 1. Stock und dann die Treppe runter ins Erdgeschoss und folgen dann den Schildern.

Viele Aufgaben, die unsere Benutzerinnen und Benutzer bei uns bzw. in Bibliotheken überhaupt im Haus erledigen wollen, sind sehr kompliziert. Sie erfordern das (Auf-) Suchen verschiedener, manchmal versteckter Stellen, das Sich-Merken von Kennungen und Passwörtern, das Warten und Wiederkommen oder nochmalige Fragen. Nicht falsch verstehen: Für solcherlei Komplexität gibt es gute Gründe. Wir tragen Verantwortung für die Sicherheit von Beständen, MitarbeiterInnen und BenutzerInnen und deren Daten. Manches geht nicht einfacher, weil unsere Logistik-Software zum Verwalten von Medieneinheiten nichts Besseres hergibt oder die Räumlichkeiten unrettbar daneben sind (jedenfalls dann, wenn man kein Geld hat).

Mir wären die zitierten kruden Sätze nicht sofort eingefallen, wenn ich nicht den Artikel „The Link Between Storytelling and User Experience“ von Steven Bell in dem großartigen Gemeinschaftsblog „Designing Better Libraries“ gelesen hätte, in dem auf die Methode des Storytellings für die Verbesserung von Benutzungssituationen hingewiesen wird. Bell erzählt in seinem Post eine Geschichte, in der durchaus ähnliche wie die oben genannten Sätze vorkommen: Sein Student John muss ebenfalls Pförtner, schlechte Beschilderungen und einschlägige Probleme mit Kopierern überwinden, bevor er die benötigte Literatur in den Händen hält.  Ziel erreicht, aber mit reichlich Ärger – auch in den vermeintlich stärker serviceorientierten US-Bibliotheken, so viel zum Trost.  Warum also nicht der Idee von Bell folgen und die Arbeit der Benutzerinnen und Benutzer in unseren Häusern nach dem Modell von positiven Szenarios gestalten? Sich also vorstellen, wie man die Zeit, die Nerven und die Energie von Studierenden und Lehrenden spart – möglicherweise kommen dabei ja auch ganz einfache Sachen heraus wie eine zusätzlich angebotene un-anonymisierte Druckmöglichkeit?

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