Pl4net.info

Bibliothekarische Stimmen. Independent, täglich.

Von Tauben und Spatzen: eine kleine Bibliothek und die E-Books

Grau ist alle Theorie, deshalb widme ich meinen Beitrag einer Sache, die mich jetzt über zwölf Monate begleitet hat und von der sicherlich in der ein oder anderen Form auch andere kleinen Bibliotheken berichten können.

Ich arbeite derzeit in einer kleinen Fachhochschulbibliothek, die bis jetzt keine E-Books käuflich erworben hat und mir steht ein Minibudget zur Verfügung, um damit testweise E-Books zu erwerben. Man möchte erst sehen, ob dies eine lohnende Alternative zu den Lehrbuchsammlungen ist. Als Voraussetzung für die Auswahl der E-Books gibt es in meiner Bibliothek folgende Vorgaben:

  • Keine Pakete, es sei denn, das Paket erfüllt alle weitere Kriterien.
  • E-Books sollen Staffelexemplare ersetzen, bei denen es nicht notwendig ist, dass man sie in gedruckter Form verwendet.
  • Die E-Books sollten die aktuellste Auflage sein und möglichst in diesem Jahr erschienen sein.
  • Alle fünf Fakultäten der Fachhochschule müssen bedacht werden.
  • Der Bibliothek dürfen durch den Erwerb der Bücher keine zusätzlichen Kosten entstehen, z.B. durch jährliche Hostinggebühren.
  • Aus dem vorherigen Punkt ergibt sich: Die Bücher sollten möglichst durch Kauf erworben werden.
  • Einschränkungen durch ein rigides Digital Rights Management (DRM) sind nicht akzeptabel.

All diese Vorgaben – Einzeltitelauswahl, Lehrbuch, Fachabdeckung, Einmalkosten, Kauf und DRM-Freiheit – sowie das geringe Budget setzen die Aufgabe, E-Books für eine Bibliotheksnutzung zu erwerben, der hohen Gefahr aus zu scheitern.

Ich habe im letzten Jahr viel Zeit damit verbracht, etwa 12 Angebote verschiedenster Verlage und Aggregatoren zu vergleichen und auf die sechs oben genannten Kriterien hin zu überprüfen. Zum Schluss zogen wir die Pick&Choose-Angebote von drei Verlagen in die engere Auswahl, da dort keine Hostinggebühren anfielen, der DRM-Schutz akzeptabel war, keine zusätzlichen Kosten entstanden, das Archivrecht mit erworben wurde und gedrucktes und elektronisches Buch nahezu gleichzeitig erschienen. Nach einem Gespräch auf dem 100. Bibliothekartag mit diesen Verlagen entschieden wir uns für einen mittelgroßen Verlag, da wir sehr viele Bücher von diesem käuflich erwerben und somit die E-Books gut in unseren Bestand passen würden.

Nach Sichtung der fachlich sortierten Erscheinungslisten war klar, dass wir für Lehrbücher das Fünf- bis Zehnfache des Preises bezahlen sollten, der für ein normales E-Book bzw. die Print-Ausgabe fällig wäre. Dafür würde das E-Book zeitgleich mit dem gedruckten Buch erscheinen. Das war akzeptabel, machte aber deutlich, dass sich E-Books nur dann für uns rechnen, wenn dadurch die Staffelexemplare nicht beschafft werden müssen. Des Weiteren wurde deutlich, dass wir eine Fakultät nicht bedenken konnten – erstens, da der Verlag diesen Fachbereich nicht abdeckt und zweitens, weil unser Budget es nicht hergab. Nach einem Gespräch mit dem Verantwortlichen des Fachbereichs konnte erstes Problem aus dem Weg geräumt werden.

Die Voraussetzung für einen Vertragsabschluss laut Mitteilung des Verlags war, dass entweder ein Paket oder mindestens 20 Titel erworben werden. Für zwanzig E-Books reichte das Budget auf keinen Fall. Das preiswerteste Paket kostete ca. 950 Euro brutto, enthielt 12 Titel für einen Fachbereich, wovon ein Titel in älterer Auflage auch in unserer Lehrbuchsammlung stand. Allerdings war dieses Buch eine Formelsammlung, die von unseren Studierenden sehr gern gerade zu Prüfungszeiten ausgeliehen wird, da diese Sammlung auch bei Klausuren zugelassen ist. In elektronischer Form ginge diese Funktion verloren. Fünf weitere Titel standen auch als Einzelexemplare bei uns im Bestand. Die restlichen sechs Titel waren eher abwegig und wären von uns nie als Printexemplar erworben worden. Außerdem hätte unser Budget für die restlichen drei Fachbereiche nicht mehr gereicht, selbst wenn wir dort nun Einzeltitel hätten erwerben können.

Wir entschieden uns, dennoch den Versuch zu wagen, dem Verlag ein Angebot zu unterbreiten. Wir wählten fünf Bücher aus, die den obigen Kriterien (Lehrbuch, Staffelersatz usw.) fast vollständig entsprachen. Die Bücher kosteten zwischen 50 und 500 Euro netto. Die Gesamtsumme unseres Minibudgets wurde dabei vollständig ausgeschöpft. Leider erhielten wir eine Absage. Vermutlich war die Gewinnspanne zu gering.

Daraufhin entschieden wir uns für das Pick&Choose-Angebot eines kleineren Verlages, von dem wir ebenfalls viele Bücher für unsere Fächer bestellen. Dieser Verlag arbeitet mit einem Mindestbestellwert, der dicht an unserem Budget lag. Wir konnten bei diesem Verlag elf Lehrbücher im Preis zwischen 30 und 600 Euro netto bestellen, wovon ein Großteil als Altauflagen bei uns vorhanden ist und zum größten Teil sogar als Lehrbuchsammlung erworben wird. Ein Teil sind neue Lehrbücher, die jedoch gut in das Erwerbungsprofil der Fachhochschulbibliothek passen.

Es war ein aufwändiges Unternehmen, E-Books als Einzeltitel für die Bibliothek zu erwerben. Bibliotheken mit Erfahrung in der Erwerbung elektronischer Bücher konnten uns hierbei nicht aktiv weiterhelfen. Häufig erntete ich ein wissendes, aber müdes Lächeln, wenn ich Kriterien und Budget nannte. Alle Kriterien konnten wir nicht erfüllen, aber die meisten waren möglich. Für den Verlag, der unser Minibudget nicht einnehmen wollte, war wohl die Taube auf dem Dach interessanter, als der Spatz in der Hand, den wir aufbieten konnten. Das Verhalten dieses Verlages ist wohl symptomatisch für den Umgang der Verlage mit E-Books, Lehrbüchern und Einzeltiteln. Es gibt viele Verlage, die derzeit noch kein Angebot für Einzeltitel machen. Die Pakete vieler Verlage sind bereits kleiner geworden, aber für kleine Bibliotheken fast immer noch unbezahlbar. Verlagsübergreifende Angebote auf einer Plattform mit der Möglichkeit der Einzeltitelauswahl sind wiederum mit Zusatzkosten für die reine Bestellung oder das Hosting verbunden. Wenn es auch nicht einfach ist, so ist es jedoch heute bereits möglich, auch mit engen Kriterien Angebote zu finden, die für kleine Bibliotheken finanzierbar sind. Schön wäre es, wenn die Verlage diese Marktlücke entdecken und passende Angebote entwickeln.