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Occupy Plan3t.info – Frauen, traut Euch!

In der vergangenen Wochen trafen sich vom 11.–12.11.2011 in Lausanne ca. 60 Geisteswissenschaftler/innen und auch Bibliothekar/innen zum ersten Schweizer ThatCamp. That steht für The Humanities And Technologie. Das Wort Camp kennen sicherlich viele von den BibCamps. Es soll darauf hinweisen, dass es sich nicht um eine klassische akademische Veranstaltung handelt, bei der vorbereitete Vorträge abgelesen werden, irgendjemand einen Kommentar abgibt und hierarchisch ganz zum Schluss irgendwann das Publikum in zwei Minuten noch eine Frage stellen darf. Stattdessen werden die Themen des Camps direkt vor Ort vorgeschlagen und man stimmt darüber ab, in welche Session man gehen möchte. Dort stehen dann keine Vorträge, sondern Austausch und Diskussion im Vordergrund.

So war es dann auch in Lausanne. Es wurde diskutiert, gelernt, gelacht, getwittert, piratepad geschrieben, ja sogar eine Session besetzt, und zwar die prominenteste, die von Mills Kelly, der bekannte Professor der George Mason University und Blogger hinter edwired, um sie spontan in eine Session zum Thema „Women in social media“ umzuwidmen. Der Hintergrund war der, dass von 16 Sessions nur zwei von Frauen vorgeschlagen worden waren, obwohl ca. 40 % der Teilnehmer weiblich war. Viele hatten sich, wie sich herausstellte, tatsächlich einfach nicht getraut! „Occupy Mills“ war dann die Parole. Nur zwei Männer verließen den Raum, alle anderen – darunter auch der gekaperte Mills Kelly – blieben und diskutierten in den nächsten 1,5h über Gendering the digital humanities: Bloggen, twittern, kommentieren Frauen anders? Anscheinend nutzen Frauen die sozialen Medien häufiger, „sozialer“ und anders als Männer, so liest man im Pew Internet Project und in der Wikipedia. Dabei sind laut einer Wikipedia-Umfrage mit 58.000 Beteiligten 87% aller Autoren der Wikipedia männlich, berichtete Mills in seinem Blog. Wie sieht/sehen generell unsere virtuellen Identität(en) aus? Was hat das mit Selbstbewusstsein, mit Macht, mit Einkommen zu tun? Fehlen uns vielleicht auch Vorbilder?

Wir stellten fest, dass Algorithmen sehr sexistisch sind. Dafür haben wir einfach mal nacheinander die Wörter „Frau“ und „Bloggen“ sowie „Männer“ und Bloggen“ gegoogelt, und zwar auf Deutsch, Englisch und Französisch und uns dabei nur die Bildresultate angesehen. Das hat für viel Heiterkeit gesorgt… wobei natürlich klar ist, dass Stereotypen findet, wer Stereotypen sucht. Es gab aber auch ernstere Momente, so bei der Diskussion rund um die Frage der digitalen Identitäten. Mills Kelly rät seinen Studierenden von anonymen Kommentaren ab. Doch gehört das nicht zu den Grundlagen digitaler Kompetenz, wie @Lambo per Twitter einwarf? Weiteres zur Diskussion gibt es im piratepad der Session, im Eintrag „ThatCamp Switzerland 5“ im Blog von Mills Kelly sowie unter dem Twitter hashtag #tcch, Archiv und Statistik mit TwapperKeeper gespeichert.

Viele Fragen, kaum Antworten, das war zu erwarten. Aber im Anschluss an die Session kamen mehrere Studentinnen auf uns zu und sagten, dass sie sich jetzt nach dieser Erfahrung auch trauen würden, einen Blog zu eröffnen und dass sie beim nächsten ThatCamp auch ihr Thema vorschlagen würden. Insofern war „Occupy Mills“ ein Erfolg und das erlaubt auch, so hoffe ich, den Plan3t für dieses Mal mit einem wenig bibliothekarischen Stimmen-Beitrag zu „besetzen“.

Autor: Mareike König

Leiterin der Bibliothek am Deutschen Historischen Institut Paris