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BibCharts Beta

Ein paar kritische Gedanken zu den BibCharts der ZBW

Ich hab mich in den letzten Wochen ein wenig mit den BibCharts der ZBW beschäftigtig und der Frage, was können die Bibcharts und was nicht? Was sollten Sie tun und was passiert eigentlich? (1)

BibCharts Beta

BibCharts Beta

„Die BibCharts sind ein monatlich erstelltes Ranking, das anzeigt, wie viele Follower auf Twitter beziehungsweise Fans bei Facebook Bibliotheken und Informationszentren im deutschsprachigen Raum verzeichnen.“ (2)

Die BibCharts der ZBW Kiel können wie ein Ranking genutzt werden, sind aber nicht als wirkliches Ranking gedacht. Intention der BibCharts, die es seit Juli 2011 gibt, ist es zu zeigen ‚Bibliotheken sind drin!‘

Die ersten BibCharts führten bei den Beteiligten und ersten Begutachtern des Angebots zu einer heftigen Debatte, so dass man daher entschied, langfristig auf eine Bewertung der aktiven öffentlichen und wissenschaftlichen Bibliotheken zu verzichten. Die Charts sollen jedoch Bibliotheken, die noch nicht aktiv geworden sind, einen Anreiz geben, ggf. Entscheidungsträger zu überzeugen, dass man den Anschluss verpassen könnte und sich selbst im Social-Media-Bereich beteiligen sollte.

Deshalb verwundert es dann immer ein wenig, wenn Meldungen wie diese zu lesen sind:

Solche Meldungen widersprechen meiner Meinung dem zugrundeliegenden Gedanken, kein Ranking zu sein. Dies spiegelt sich in der nicht vorhandenen Nummerierung der Bibliotheken wider, aber es verhindert nicht ein „ungeeignete“ Interpretation der dort vorhandenen Zahlen.

Schon der Name „Charts“ ist ungünstig gewählt und setzt auf einen Hype, der den eigentlichen Zielen nicht gerecht wird.

„Der Begriff ‚Charts‘ impliziert einen Wettbewerbsgedanken – das ist völlig richtig. Aber das ist nicht unser Hauptziel.Mit der Übersicht wollen wir drei Zielgruppen erreichen: Das sind zum einen all diejenigen, die sich nun schon zu Wort gemeldet haben, die Social Media-Verantwortlichen in den Häusern, die progressiv Experimentierenden. Die zweite Zielgruppe besteht aus der breiten Öffentlichkeit, die vielleicht bislang nicht einmal Notiz davon genommen hat, dass viele Bibliotheken bei Facebook und Twitter und in Blogs angekommen sind. […] Und die dritte Zielgruppe besteht aus den Zweiflern. Damit meine ich Entscheider in den Einrichtungen, die ihr Relevanzprogramm für das Jahr 2011 noch nicht komplett überdacht haben – die Chefs, Direktoren, Leiter, Budgetgeber.“ (3)

Gerade das Erreichen der letzteren birgt – gestützt auf die erhobenen Fan- und Followerzahlen – ein weiteres Problem.

Christian Hauschke formuliert dies passend bei seiner Reaktion auf die BibCharts in Infobib:

„Sollten die Bibcharts eine breitere Aufmerksamkeit erfahren, ist eher von einer erneuten Zahlenfixierung der ‚Entscheider‘ auszugehen.“ (4)

Die BibCharts dürfen nicht die Aufgabe übernehmen, als ein Kennzahleninstrument zu dienen, an dem Entscheidungsträger oder Bibliotheken messen können, dass sie mit ihren Angeboten in diesem Bereich bestens im Kreise Gleichgesinnter aufgestellt sind oder ob sie darin untergehen bzw. „hinterherhinken“. Grund dafür ist, dass die Zahlen der Charts keinerlei Aussagen darüber zulassen, ob die Einrichtung ihre potentielle Zielgruppe erreicht hat. Sie spiegeln nicht wieder, wie viel Aufwand betrieben wird, um die ständig wachsende Fan- und Followerzahlen zu erhalten oder LeserInnen zu behalten.

Diese Charts ermöglichen es den engagierten Bibliotheken in Bezug auf Social-Media-Angebote, über einen längeren Zeitraum hinweg zu sehen, ob die Ideen und Anstrengungen aller beteiligten Kollegen dazu führen, unsere LeserInnen dauerhaft zu fesseln. Sie können sehen, wie vergleichbare Bibliotheken sich entwickeln und können so durch Beobachtung und kollegialen Austausch die eigenen Angebebote ergänzen, verbessern und zielgruppengenauer gestalten.

Trotz aller Zahlen in den BibCharts der ZBW, die eigentlich nur zeigen, dass Bibliotheken aktiv sind, ist für das eigentliche Angebot der Bibliothek im Social Web die Zufriedenheit ihrer NutzerInnen ausschlaggebend. Bessere Messgrößen als reine, automatisch erhobene statistische Zahlen sind jeder Kommentar in einem der Social-Media-kanäle, ob Blog, Fanpages bei Facebook oder Google+ oder auf Twitter. Jedes Like, jeder (Re)Tweet und jedes „+1“ hat mehr Aussagekraft als die Statistik und sollte die Verantwortlichen hinter den Kulissen ermuntern, ihre Leser mit weiteren Informationen, Neuigkeiten und auch dem ein oder andren Augenzwinkern zu versorgen.

Noch sind die BibCharts in der Beta-Version und sehr rudimentär (siehe Quelle 3), dennoch zeigen sie nach einem halben Jahr (derzeitiger Stand: Dezember 2011), dass sie irgendwo aufgenommen sind in die Betrachtungen der Aktiven, dass aber die Diskussion zum Erliegen gekommen sein scheint. Vor allem habe ich nicht den Eindruck, dass sie seitens der Leute wahrgenommen werden, die bisher nicht aktiv sind, da sie in einem Medienumfeld veröffentlich werden, das von jenen Leuten nicht gelesen wird. Papierleser werden auf diese Weise nicht motiviert, aktiv zu werden.

Auch die eigentliche Aussagekraft dieser Charts ist unzureichend. Jürgen Plieninger macht seiner ersten Reaktion deutlich, dass die Zahlen nichtssagend sind:

„Man könnte jetzt diskutieren, ob die richtigen Kennzahlen gewählt wurden, ob denn die Follower-Zahlen überhaupt aussagekräftig sind, ob es nicht eher ein Koeffizient aus Follower-Zahlen, Veröffentlichungs- und Reaktionsrate sein müßte. Ob man nicht Weblogs oder gar Wikis mit einbeziehen müßte und was ist mit dem Auskunftschat und den RSS-Feeds?“ (5)

Hauptfrage ist, und die ist eben nicht messbar, wie werden die NutzerInnen erreicht und informiert und wie sind die Informationskanäle gestaltet. „Social“ ist, wenn miteinander kommuniziert wird und kommunizieren tun immer noch Menschen, also diejenigen, die sich hinter den „Kennzahlen“ stecken.

In diesem Sinne stellt sich also die Frage: „Was sind die BibCharts wirklich?“ Sie erreichen kaum die Entscheidungsträger, die über das Social-Media-Engagement der eigenen Insitution (mit) zu entscheiden haben. Sie sagen nichts darüber aus, ob der Mensch / das Team hinter dem Angebot wirklich einen guten Job macht und seine Zielgruppe erreicht. Zahlen sind schön, sie können für Rankings verwendet werden, aber die Aussage eines Rankings hängt auch immer von der Qualität der erfassten Daten ab und die sind bei den ZBW-BibCharts mehr als dürftig, wodurch auch die Aussage der Charts selbst mehr als verzichtbar ist. Die Aha-Reaktion einer PR-Mitteilung hat sich nach einem halben Jahr erledigt.

Quellen:
(1) vgl. Böhner, Dörte: BibCharts der Zentralbibliothek für Wirtschaftswissenschaften Kiel, Bibliotheks-Info der UB der Helmut-Schmidt-Universität (16.2011,3), S. 18-19
(2) Bibcharts Beta: Über, Bibcharts.eu
(3) Vatter, Andre: Zu den BibCharts: Das Feedback auf das Feedback, ZBW-Mediatalk.eu
(4) Hauschke, Christian: Bibcharts der ZBW, Infobib.de
(5) Plieninger, Jürgen: Schon wieder ein Ranking!, Netbib