Zum 80. Jahrestag dieses barbarischen Aktes am 10. Mai 1933 soll in Bonn ein Denk-Mal errichtet werden, welches nicht nur eine Dauerpräsenz auf dem
zentralen Rathausplatz gewährleisten wird, sondern in einem interaktiven und sich erneuernden Prozess in mehrfacher Hinsicht in die Stadt, also in ihre Bevölkerung, hineinwirken soll:
„Im vorhandenen Pflaster des Platzes werden Bronze-Bücher der von den Nationalsozialisten verbrannten Ausgaben verlegt. Die Buchrücken schließen mit der Pflasterung ab. Auf ihnen sind Titel und Autoren der verbrannten Bücher zu lesen. Die zunächst zufällig auftauchenden Lesezeichen im Platz verdichten sich an der Stelle vor der Rathaustreppe wo am 10. Mai 1933 die Bücher verbrannt wurden. Dort ist in Form einer Büchertruhe ein wetterfester Archiv-Behälter eingelassen. White Evening DressesSeine Inschrift benennt das Ereignis und die Autoren der verbrannten Bücher. In diesem Archiv werden reale Bücher aus der Bibliothek verbrannter Bücher aufbewahrt.“2)
Dass im Pflaster nicht nur symbolische Abbildungen von Buchrücken und ein symbolischer Archiv-Behälter eingelassen sind, sondern Bücher, die es nach dem Willen der damaligen Machhaber gar nicht mehr geben dürfte, sowohl aufbewahrt (gesichert), aber auch weggesperrt werden, holt die Installation aus einem Anlass zum Nachdenken über Vergangenes in die unmittelbare Gegenwart: unter den Füßen lagern echte, nutzbare Bücher, trotz der Flammen wieder existent – und die nächste Frage, die sich aufdrängt: was machen die da unten und warum kann man nicht auf sie zugreifen? Hieran schließen die InitiatorInnen des Projekt den zweiten Schritt, sie nennen es „Das Ritual“:
„Das im Zentrum der über den Platz Blue Evening Dressesgestreuten Lese-Zeichen eingelassene Bücherarchiv vor der Rathaustreppe bleibt das ganze Jahr über verschlossen. Nur an jedem 10. Mai wird es geöffnet und Bücher der verfolgten Autoren werden herausgenommen. Es wird aus ihnen zitiert und die Bände werden anschließenden an Menschen aus Bonn verschenkt. Dann wird das Archiv wieder neu mit anderen Autoren aus der Bibliothek der verbrannten Bücher befüllt und bis zum kommenden Mai verschlossen. So können von Jahr zu Jahr immer andere Titel und Autoren der von den Nationalsozialisten verbrannten Bücher nicht nur in Erinnerung gerufen,
sondern auch wieder neu gelesen werden.
Die verteilten Bücher werden demnach nicht aus einer Buchhandlung kommen, sondern aus dem Denkmal, „das Denk-Mal wird zum Lese-Mal“. Und es bewahrheitet sich damit, was die blinde Autorin Helen Keller in einem Offenen Brief an die Nazistudenten am Tag der Bücherverbrennugnen geschrieben hat:
„Ihr habt aus der Geschichte nichts gelernt, wenn ihr glaubt, Ideen ausrotten zu können. Tyrannen haben das schon oft versucht, aber diePink Evening Dresses Ideen sind aufgestanden und haben sie hinweggefegt. Ihr könnt meine Bücher und die der edelsten Geister Europas verbrennen, aber die Ideen sind schon aus den Büchern herausgetreten und über Millionen Kanäle weitergewandert, und sie werden neue Geister begeistern.“
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1) Die Zitate über die Bonner Bücherverbrennungen sind einem Aufsatz von Helmut HEYER (Autor von „Kultur in Bonn im Dritten Reich“) in den „Bonner Geschichtsblättern 51/52, 2001/2002“, S. 285-328 entnommen, sowie einem Artikel von Dr. Ingrid Bodsch, Direktorin des Stadtmuseums Bonn.
2) erstellt von Andreas Knitz (Freier Künstler, Dipl.Ing. Architekt) und Dr. Horst Hoheisel (Bildhauer). Die Zitate zur Projektbeschreibung stammen aus dem Wettbewerbsentwurf.
Die Informationen über das geplante Mahnmal stammen vom Initiator des Projekts, Wolfgang H. Deuling aus Bonn, der mir das oben genannten Material zukommen hat lassen, wofür ich ihm herzlich danke.
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