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Bibliothekarische Stimmen. Independent, täglich.

Sag mal, machst Du das freiwillig….oder warum wir Bibliotheken brauchen!

Hallo zusammen,

heute mal keine Flugzeuge, jedenfalls nicht primär. Fangen wir vorne an. Am vergangenen Wochenende war ich mit Kollegen der Zukunftswerkstatt in Wuppertal. Mit Kollegen von was? Die Zukunftswerkstatt ist ein Verein, der sich um die Zukunft in Bibliotheken kümmert, um neue Ideen, neue Konzepte und neue Technologien. Ich habe schon länger immer mal wieder mit dem Verein zusammen gearbeitet und seit kurzem bin ich Mitglied. Am Wochenende ging es um Projekte für 2013 und um viele spannende Kleinigkeiten. Als ich Montag wieder in “meiner” Bibliothek war und ein bisschen davon erzählt kam die Frage einer Kollegin “Sag mal, machst Du das eigentlich freiwillig….” Da war ich dann doch etwas baff. Ja, mache ich….ich zahle sogar dafür. Warum?

Nun, es gibt drei, eventuell vier Dinge, die mich unheimlich interessieren  im Leben. Das ist zum einen meine Frau, ohne die das Alles eh keinen Sinn hätte, dann die Fotografie und Bibliotheken….böse Zungen würden behaupten, Essen gehört auf jeden Fall auch in diese Liste ;). Die Prioritäten dieser vier variieren, mit Ausnahme der erst genannten.
Warum Bibliotheken? Den Versuch die Fasziantion der Fotografie zu erklären, erspare ich Euch, wenn ihr verliebt seid, kennt ihr den Grund für das Erste und essen tun wir irgendwie alle gern, oder? Na ja, das ein oder andere Model nehme ich da mal raus. Bleibt die Bergündung für die Faszination von Bibliotheken!

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Bibliotheken sind Horte des Wissens. Bibliotheken sind wichtig für die Gesellschaft. In Bibliotheken öffnet sich einem die ganze Welt auf kleinem Raum. Alles richtig, aber auch irgendwie, nun ja….abgehoben. Wir, also die Bibliotheken, haben da so ein Image…verstaubt, irgendwie der Welt entrückt und chronisch unterfinanziert. Aber wie sieht es in einer Bibliothek wirklich aus?
Ich habe durch meine Vorträge und aus purem Interesse schon ganz viele Bibliotheken besucht und könnte aus dem Nähkästchen plaudern, aber ich beschränke mich mal auf die Mediothek Krefeld. Wie ist es da so? Nun, schon seit Ewigkeiten, damals hießen wir noch Stadtbibliothek Krefeld, zeichen wir uns, wie übrigens viele Bibliotheken in Deutschland, durch kreative und engagierte Arbeit aus. Wir bieten Leseförderung, gehen in Kindergärten und Schulen um das Kulturwerkzeug “lesen” zu vermitteln. Unsere Lektoren sind Experten darin, den eigenen Bestand aufzubauen und zu pflegen. Anschaffungen von Medien werden überlegt und begründet, erst dann wird ein Buch gekauft. Wir arbeiten mit Firmen, Einrichtungen und dem Einzelhandel in unserer Region zusammen. Wir sind Anlaufstelle für Schüler, Eltern, Kinder, Lehrer, Gruppen, Einzelpersonen und Freaks ;) Wir schaffen es, Autoren in unser Haus zu holen, die aus ihren Büchern vorlesen und wir bieten Bastelnachmittage für Kinder an. Dafür brauchen wir Geld, dafür brauchen wir Technik, dafür brauchen wir aber vor allem engagierte Menschen. In einer Bibliothek zu arbeiten hat selten etwas mit “9 till 5″ zu tun. Wir sind alle irgendwie ein anderer Schlag Mensch. Wer einmal gesehen hat, wie Kinderprogramme durchgeführt werden, wie viel Arbeit in Projektanträgen und in all dem steckt, der weiß, was es heißt “Bibliotheksmensch” zu sein. Für mich ganz persönlich ist es die perfekte Mischung in einer Bibliothek zu arbeiten….ich habe die Zeit im Büro und vor allem die Zeit “am Kunden”. Wenn ich Morgens aus dem Haus gehe, weiß ich nicht, was mich den Tag über erwartet. Felxibel sein, sich anpassen, sich auf den Kunden einlassen, professionell auftreten…Kernelemente meines Jobs.

Und dann tauchen in der letzten Zeit immer wieder Artikel und Berichte auf. Bibliotheken haben keine Zukunft, ihre Zeit als Ausleihstation ist vorbei. Alles ist immer und überall abrufbar. Filme, Bücher, Informationen…alles kriegt man aus dem Netz. Für kleines Geld, vieles sogar kostenfrei. Wer also braucht noch eine Bibliothek. Sind die großen Häuser voller Bücher nicht ein Anachronismus, den keiner mehr braucht?

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Seit knapp drei Jahren betreue ich jetzt den Facebook-Auftritt der Mediothek. Wir haben damit Erfolg, die Vernetzung mit den Kunden klappt, ebenso die Vernetzung mit den Kollegen überall in Deutschland und sogar im Ausland. Ein erster Schritt…mehr nicht.
Die erste Frage ist, warum haben wir damit Erfolg? Drei Antworten: Mut, Kreativität und ein gutes Fundament.

Mut – Wir waren so ziemlich die ersten, die sich ins soziale Netz getraut haben. Es gab keine Handbücher, keine Vorbilder und weiß Gott viel Widerstand gegen unsere Idee, mit dem Kunden auf Augenhöhe zu kommunizieren.

Kreativität – Ich habe Glück, ich habe ne kreative Ader UND tolle Menschen um mich rum, denen es genauso geht. Die verrückten Sachen, das Edutainment und das Erschaffen des Brandings “Karo-Boys”, sowie der Erwerb des Rufes, Ahnung von der Materie zu haben, war zwar viel Spaß, aber auch eine Menge harter Arbeit und eben, Kreativität.

Das gute Fundament – Der Facebook-Auftritt würde nicht funktionieren, gäbe es all die tollen Dinge in der “echten” Mediothek nicht. Unsere komplette Offline-Arbeit, vom Einstellen, über das Lektorat, die Buchpflege, die Fernleihe, die Ausleihe, die Anmeldung, unsere Infodienste bis hin zu den Veranstaltungen sind es, die dafür sorgen, dass wir uns auch im virtuellen Raum präsentieren können. Das eine klappt nicht ohne das andere….
Und genau das müssen wir begreifen. So wie der Onlinepart nicht ohne “das Haus” auskommt, wird es eine Bibliothek nicht ohne die Community “da draußen” schaffen. Uns neu zu erfinden und dabei die Fähigkeiten die wir haben nicht zu vergessen, das ist die Herausforderung für Bibliotehken in den nächsten Jahren. Und damit müssen wir JETZT anfangen. Bibliotheken lassen sich gerne “Informationsdienstleister” und “Informationsexperten” nennen…dann tut auch was dafür. Die Bibliothek der Zukunft kann Menschen mit Problemen bei ihrem eBook-Reader helfen. Die Mitarbeiter kennen sich aus mit Facebook, G+, twitter, youtube, FlickR, Cloud, Open Data, xing, pinterest oder instagram…und wissen trotzdem noch, wie man ein Infogespräch führt, was eine Bibliographie ist und wie man einen flämischen Namen nach RAK ansetzt.

ViO

Unsere Angst vor Neuem muss weichen. Und damit meine ich nicht mal so sehr die Technik…es muss nicht jeder alles können. Wie auch? Wir brauchen ein starkes Team in unseren Bibliotheken. Jürgen Klopp hat mal gesagt, er kann keine Meisterschaft holen mit 11 Mario Götzes….wir können keine Bibliothek führen mit 40 Facebook-Machern oder 30 Katalogisierungsspezialisten. Die Mischung macht es. Das Team muss an einem Strang ziehen….idealerweise in die selbe Richtung ;). Und wenn die Bibliothek sich vom Ausleihort zum Aufenthaltsort wandelt? Wäre das ein Problem? Würde es uns stören, würden die “echten” Ausleihen um die Hälfte sinken, dafür aber eAusleihen explodieren und Menschen uns besuchen, weil man bei uns toll lernen kann, weil die Atmosphäre gut ist, weil es ein Café gibt und Aufladestationen fürs Smartphone. Würde es uns stören, wenn wir LAN-Parties für Gamer im Haus hätten? Oder regelmäßige Twitterlesungen? Wäre es ein Problem zweimal im Monat aus einem Raum eine Disco zu machen und sich damit zur “Szene-Location” zu entwickeln? Wäre es schlimm, einen Hacker- und Makerspace einzurichten, in dem Menschen ganz praktisch arbeiten können, Dinge erfinden und damit mit “ihrer” Bibliothek verwachsen? Wäre das schlimm…..? Wenn ja…sorry, dann brauchen wir keine Bibliotheken mehr. Dann macht die Häuser dicht! Wenn nicht….dann macht was! Ändert Eure Bibliothek! Seid kreativ! Lasst Euch nicht einengen! Sucht nach neuen Ideen ohne, und das ist wichtig, dabei Eure Kernkompetenzen zu vergessen…letztlich dienen wir den Menschen und wollen in deren Mitte sein!

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Zurück zur Eingangsfrage. Machst Du das freiwillig?
BibCamp, Twittwoch, Wuppen, Bibliothekartag, Bibliothekskongress, SocialCommunityDay, Bibliotheksbesuche, Livestreams….ja verdammt, ich mache viel wenn es um das Thema Bibliothek geht. Das meiste davon kostet mich Zeit und eine Menge Geld, aber ja, ich mache das freiwillig, weil ich glaube, dass ich den wichtigsten, geilsten und erfüllensten Job der Welt habe!

Liebe Grüße
Martin

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