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Bibliotheken – braucht man uns noch!?

Hallo zusammen,

es wird mal wieder für einen Moment dienstlich. Durch den Artikel “Die Zukunft des Papierverleihs” von Kathrin Passig in der Zeit ist der Sinn oder Unsinn einer Bibliothek wieder in aller Munde. Ich arbeite in einer Bibliothek, interessiere mich sehr für deren Zukunft und habe natürlich eine Meinung zu diesem Artikel. Es gibt Stellen, da sehe ich vieles exakt genauso, bei anderen offenbart der Artikel einige Unkenntnis der Materie. Es fängt damit an, dass von “der Bibliothek” gesprochen wird. Das es da draußen eine ganze Bandbreite von Bibliotheken mit unterschiedlichesten Aufgaben gibt, wird gar nicht erwähnt.

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Sagen wir mal so, ich bin wohl einer der wenigen Menschen, die in Bibliotheken arbeiten, der keinen romantischen Bezug zum Buch hat. Ich habe mir den Beruf nicht ausgesucht, weil ich gerne lese oder ich den Geruch von Büchern mag (in Bibliotheken ist besonders letzteres meist eh eher gegenteilig besetzt ;) ) oder ehrfürchtig vor dem auf Papier gesammelten Wissen bin. Ich lese ab und an, mir ist aber der Inhalt wichtig, dabei ist es egal, ob auf Papier, Tablet oder eReader. Ich habe mir den Beruf ausgesucht, weil ich etwas machen wollte, bei dem ich jeden Tag mit vielen Menschen in Kontakt komme, letztlich etwas Gutes tue und meine Affinität zum Internet einbringen kann. Da passt eine Bibliothek ganz gut, zumindest wenn es eine moderne öffentliche Bibliothek ist.

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Ich glaube, dass Bibliotheken derzeit vor dem größten Wandel ihrer Geschichte stehen. Wir “Öffentlichen” werden an unseren Ausleihzahlen gemessen….und Bundesweit gehen diese zurück. Die Belletristik hält die Fahne noch hoch, die Sachmedien werden in Zeiten von Wikipedia und Google zunehmend weniger nachgefragt. Bedeutet das jetzt, dass das Ende des Abendlandes bevorsteht? Ich denke nicht. Vieles wird in den aktuellen Diskussionen durcheinander geworfen, da geht es um die Veränderbarkeit der Information, das ist im Netz einfacher und schwerer zu erkennen. Wenn das Netz mal nicht mehr so frei ist, wie wir heute glauben das es ist, was ist dann mit der Information? Wer kontrolliert, wer archiviert unser Wissen?

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Und ich denke, hier muss man in der Diskussion mal genauer hinschauen. Ich glaube auch, dass wir unsere Geschichte, unser Wissen auf Papier sammeln und bewahren sollten. Aber, muss das eine öffentliche Bibliothek tun? Wäre das nicht eher etwas für ein großes Archiv? Was haben wir den heute für Wissen in öffentlichen Bibliotheken? Belletristik, viele allgemeine Ratgeber zum Thema Kochen und Reiseführer. Wissen, welches man im Netz zu Hauf findet. Ist eine Bibliothek deshalb überflüssig geworden. Ein klares NEIN! mit einem großen ABER! Nein, eine Bibliothek ist nicht überflüssig, aber sie muss sich an das Nutzerverhalten anpassen. Die Zeiten, in denen wir als Bibliotheksmenschen unseren Nutzern gesagt haben, was sie lesen sollen und was Kultur ist sind vorbei. Gottseidank!

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Meine Bibliothek der Zukunft ist ein Ort, der dazu einlädt, soziale Kontakte zu knüpfen und zu pflegen. Meine Bibliothek der Zukunft ist ein Ort, an dem hoch motivierte, sehr gut ausgebildete Menschen arbeiten. Meine Bibliothek der Zukunft ist ein Ort, an dem ich Dinge ausprobieren kann. Meine Bibliothek der Zukunft ist ein Ort, an dem ich Informationen validieren kann. Meine Bibliothek der Zukunft ist ein Ort, an dem ich Spaß haben kann. Meine Bibliothek der Zukunft ist ein Ort, an dem ich Demokratie wagen kann, an dem ich ohne kommerziellen Druck Dinge erleben kann. Meine Bibliothek der Zukunft ist ein Ort, an dem Menschen arbeiten, die mir einen eBook Reader erklären können, die sich in sozialen Netzwerken auskennen, die mir Gefahren und Chancen des Internets vermitteln, die mir Fähigkeiten beibringen um in der hektischen, sich schnell wandelnden Zeit mithalten zu können, die dafür sorgen, dass Kinder die Faszination des Lesens lernen, die dafür Sorge tragen das alle Menschen den Zugang zu Informationen, Freizeitgestaltung und Spaß bekommen….egal ob sie alt, jung, schwarz, weiß, gesund, krank oder sonst was sind.

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Wir als Bibliothek sind ein Bollwerk gegen extremistische Triebe, wir sind die Verteidiger der Demokratie. Und so hochtrabend das jetzt klingt, all diese Dinge leben tausende von Bibliotheken jeden Tag. Die einen sind weiter, die anderen auf dem Weg, aber die meisten Menschen, die ich kenne, die in einer Bibliothek arbeiten, glauben an diese Grundsätze und stehen jeden Morgen auf, um zu dienen, zu helfen und Gutes zu tun.

Es ist gut, das jemand schreibt, dass Bibliotheken sich anpassen müssen, es ist wahr, dass das Internet vieles vereinfacht. Man hat Recht, wenn man schreibt, dass man sich im Netz ebenso für Neues beigeistern lassen kann wie beim durchstöbern einer Bibliothek. Aber, wer schreibt, Bibliotheken sind nur noch Papiermuseen und eigentlich überflüssig, hat von der Aufgabe und dem was die meisten öffentlichen Bibliotheken tun, keine Ahnung. Vielleicht würde es helfen, gelegentlich eine Bibliothek zu besuchen und mit den Menschen zu reden….anstatt nur darüber zu schreiben!

Passend zum Thema “Buch und Bibliothek” gibt es derzeit auch eine Blogparade, schaut doch mal rein, wenn ihr mögt…

Gruß
Martin

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