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Publikation: Open Schweiz – eine (selbst-)kritische Einschätzung aktueller Initiativen und Projekte zum Themenfeld Open Education Resources (OER)*

Überlegungen zu den Verbindungen zwischen OER und raumsoziologischen Untersuchungen von Bibliotheken

Freie Bildungsmedien und Digitale Archive

Freie Bildungsmedien und Digitale Archive

Gemeinsam mit Ricarda T.D. Reimer habe ich soeben einen Aufsatz zu “Open Schweiz – eine (selbst-)kritische Einschätzung aktueller Initiativen und Projekte zum Themenfeld Open Education Resources (OER)” veröffentlicht. Er ist im Sammelband “Medien – Wissen – Bildung: Freie Bildungsmedien und Digitale Archive.” erschienen, der vollständig open access zugänglich ist. Ich möchte in den folgenden Zeilen weniger diesen Aufsatz vorstellen (das habe ich schon im Blog von digitallernen.ch gemacht), sondern vielmehr die Verbindungen zu meiner raumsoziologischen Arbeit im Themenfeld Wissensräume herausarbeiten.

Wie ich im Falle von Bibliotheken schon an anderer Stelle erläutert habe, gehe ich bei Wissensräumen von drei Raumkomponenten aus: Dem materiellen, virtuellen und sozialen Raum. Ich möchte anhand eines Zitates aus meinem Artikel in der NZZ vom 9.4.2014 verdeutlichen:
„Die gebaute, architektonische, körperlich erfahrbare Bibliothek stellt den materiellen Raum dar. Mit ihm verknüpft ist der soziale Raum, der in Anlehnung an Pierre Bourdieu das relationale Gefüge der sozialen Positionen der Menschen, basierend auf Alter, Bildungsbiographie und Profession, beschreibt. Besonders im Falle öffentlicher Bibliotheken sind die Zielgruppen sehr heterogen in Bezug auf ihre Positionen im sozialen Raum. Der virtuelle Raum als dritte Komponente wird dem materiellen nicht gegenübergestellt, sondern vielmehr mit diesem vernetzt. Dank Smartphone und Tablet-PC tragen wir unsere virtuellen Räume stets mit uns und können so beispielsweise gleichzeitig in der Zentralbibliothek Zürich sitzen und in den virtuellen Regalen einer anderen Bibliothek stöbern. Und dennoch spielt der materielle Raum, in dem wir uns befinden, eine entscheidende Rolle, es macht sehr wohl einen Unterschied, ob wir unterwegs in einem überfüllten Tram oder im Lesesaal einer Bibliothek lesen und recherchieren.“ (Edinger, 2014)

Mir ist es immer ein Anliegen, die Schwellen zu Wissensräumen – wie beispielsweise Bibliotheken – und deren Inklusions- und Exklusionsmechanismen zu diskutieren. Bisher habe ich das vor allem in Bezug auf den materiellen Raum getan, aber natürlich ist auch der virtuelle Raum durch diese Mechanismen strukturiert und strukturiert diese seinerseits. Und hier setzen wir mit unserem OER-Artikel an. Dabei sind zwei Handlungstypen zentral: Die Speicherung und Bereitstellung von Ressourcen einerseits und die Nutzung dieser Ressourcen andererseits (und somit sind wir auch wieder im Bereich meiner Diss, in welcher ich die Operationalisierung von Wissen in Bibliotheken genau für diese zwei Handlungstypen untersucht habe).

Für beide Handlungstypen nimmt die Haltung gegenüber „Open in Education“ eine wegweisende Rolle ein. Die Entwicklung zu einer Kultur der offenen Wissenschaft und Wissenschaftler/-innen steht erst am Anfang; eindrücklich sind aber schon jetzt die unzähligen und vielfältigen digitalisierten Lehr-/Lernmaterialien und die Zahl der im Netz frei zugänglichen Repositories (nicht nur im englischsprachigen, sondern auch im deutschsprachigen Raum).
Mit der angestrebten Zugangsoffenheit der Materialien müssen Fragen der Qualitätsentwicklung und -sicherung einhergehen. Vor diesem Hintergrund sind sowohl der Umgang mit der Relevanz-Deutungshoheit (was ist es wert, gespeichert zu werden) als auch mit den letztendlich zur Verfügung gestellten Archivinhalten (Metadaten und Materialien) zu diskutieren. Darüber hinaus sind Nutzer/-innen mit den entsprechenden Kompetenzen auszustatten, diese Archive zu nutzen. Diese umfassen u.a. die Anwendungskompetenz als auch eine kritische Haltung gegenüber den Inhalten. Um diesen Ansprüchen nachzukommen sind information literacy und media literacy essentiell.

Gerade öffentliche Bibliotheken sind Anbieterinnen von OER: Sie bieten offenen Zugang zu Bildungsressourcen – materiell in Form von beispielsweise Büchern und Tageszeitungen, virtuell in Form von Fachdatenbanken, Katalogen, aber auch ganz simpel gedacht , in Form von Internetzugang. Und sie nehmen sich der Aufgabe an, information literacy und media literacy zu vermitteln. Das wiederum macht das Themenfeld OER für mich so interessant, weil es schlussendlich um die gleichen Prozesse (Bildung, Inklusion, Exklusion, Integration) geht, aber die virtuelle Raumkomponente stärker in den Vordergrund rückt.


 
Reimer, Ricarda T.D./Edinger, Eva-Christina (2014): Open Schweiz – eine (selbst-)kritische Einschätzung aktueller Initiativen und Projekte zum Themenfeld Open Education Resources (OER). In: Medien – Wissen – Bildung: Freie Bildungsmedien und Digitale Archive. Innsbruck: Innsbruck University Press. S. 257-276. URL: http://www.uibk.ac.at/iup/buch_pdfs/freie-bildungsmedien_web.pdf.

Edinger, Eva-Christina (2014): Die Bibliothek ist kein Museum. Die Vernetzung und Gestaltung von Wissensräumen als Aufgabe öffentlicher Büchereien im digitalen Zeitalter. In: Neue Zürcher Zeitung (NZZ), 09.04.2014, Ressort: Bildung und Erziehung, S. 69.

*Teile des vorliegenden Artikels entstammen dem Blogartikel, den ich auf digitallernen.ch publiziert habe.

 
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