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Publikation: „Thirdspace als hybride Lernumgebung. Die Kombination materieller und virtuelle Lernräume“

In: “Erwachsenenbildung und Raum. Theoretische Perspektiven – professionelles Handeln – Rahmung des Lernens”, Reihe: Theorie und Praxis der Erwachsenenbildung, Bielefeld: DIE.

Meine neue Publikation mit Ricarda T.D. Reimer ist für mich ein zentrales Puzzlestück in meiner Auseinandersetzung mit Raumtheorien einerseits und Lern- und Wissensräumen in Empirie und Anwendungspraxis andererseits. Im Folgenden möchte ich die großen Entwicklungslinien dieser theoretischen, empirischen und anwendungspraktischen Zugänge aufzeigen, um zu verdeutlichen, wie sich das Puzzle als Gesamtbild gestaltet und welchen Beitrag unsere neue Publikation zu ‚Lernräumen in Theorie und Praxis‘ leistet.

EDINGER 3 Raumkomponenten

EDINGER 3 Raumkomponenten

Vielerorts habe ich bereits erläutert, dass ich von drei Raumkomponenten ausgehe: Dem materiellen, dem virtuellen und dem sozialen Raum (vgl. Edinger, 2014; Blogartikel zur Publikation OER). In unserer neuen „Thirdspace“-Publikation wird diese theoretische Grundlage nochmals vertieft und alle drei Komponenten werden ausführlich dargestellt.

In meiner Dissertation habe ich vorwiegend auf die beiden Komponenten des materiellen und sozialen Raumes fokussiert. Hier ging es mir vor allem darum, materielle und soziale Schwellen und die damit verbundenen Inklusions- und Exklusionsmechanismen von Bibliotheken aufzuzeigen. Dass auch die digitalen Angebote einer Bibliothek zu diesen Mechanismen beitragen, habe ich durchaus thematisiert. Aber erst in unserer Publikation „Vernetzte Räume: Vom Bücherregal zur Bibliothek 2.0. Neue Standorte und Perspektiven“ (2013) explizieren Ricarda und ich, wie materielle und virtuelle Bibliotheksräume über digitale Kataloge verflochten sind.

EDINGER REIMER Vernetzte Räume Bibliothek

EDINGER REIMER Vernetzte Räume Bibliothek

Hier war es uns ein besonders Anliegen, auf Medienbrüche aufmerksam zu machen, die beispielsweise durch den Wechsel von Endgeräten (etwa vom PC auf das Smartphone) entstehen. Dabei weisen wir auf große Herausforderungen hin, sowohl bei der Entwicklung von Bibliotheksangeboten (wie etwa responsive design, BYOD) als auch bei den Anforderungen an NutzerInnen dieser Angebote (wie etwa information literacy, Medienkompetenz). Dass auch der virtuelle Raum durch Inklusions- und Exklusionsmechanismen strukturiert wird (und vice versa), das zeigen Ricarda und ich in einem größerem Kontext allgemein bezogen auf Open Education Resources in unserer Publikation Open Schweiz – eine (selbst-)kritische Einschätzung aktueller Initiativen und Projekte zum Themenfeld Open Education Resources (OER)“ (2014).

Mit unserer neuen Publikation „Thirdspace“ liefern wir jetzt den raumtheoretischen Unterbau bzw. bauen diesen aus. Die Komponenten des sozialen und materiellen Raumes habe ich in meiner Dissertation umfangreich theoretisch hergeleitet, beim virtuellen Raum haben Ricarda und ich das bisher nur in Ansätzen gemacht und eher auf empirische Untersuchungen sowie auf Anwendungsszenarien fokussiert (z.B. in „Bib 2.0“). Somit holen wir das jetzt nach und gehen einen Schritt weiter: Wir zeigen theoretisch, wie materielle und virtuelle Lernräume kombiniert bzw. verknüpft werden und warum es sich hierbei explizit um eine Kombination und nicht eine Addition handelt:

„Verbindet man den materiellen und den virtuellen Raum, sind eine Addition sowie eine Kombination denkbar. Werden materielle und virtuelle Räume addiert, stehen sie beziehungslos nebeneinander. Werden sie jedoch kombiniert, also miteinander vernetzt, entsteht ein neuer, hybrider Raum, der sich gerade durch die Vernetzung beider Raumkomponenten auszeichnet.“ (Edinger/Reimer, 2015, S. 208)

Dabei machen wir uns das Konzept des Thirdspace von Edward Soja (1996) und die Theorie des relationalen Raumes von Martina Löw (2001) zunutze. Diese theoretische Fundierung ist besonders relevant in Hinblick auf die daraus resultierenden Schlussfolgerungen für die Gestaltung von Lernumgebungen, da Raum immer subjektiv konstituiert ist und wir dies mit der Subjektorientierung in der Erwachsenenbildung zusammenführen. Wir können so erklären, dass die Lehrenden situativ unterschiedliche Teile der Raumkomponenten (materiell, sozial, virtuell) in ihre Lernumgebung einbeziehen und diese Bezüge wiederum müssen bei der Gestaltung von Lernumgebungen bereits angelegt sein.

Wie immer freue ich mich über Kommentare, Anmerkungen und Erweiterungen!

Literatur

Edinger, Eva-Christina, 2014: Die Bibliothek ist kein Museum. Die Vernetzung und Gestaltung von Wissensräumen als Aufgabe öffentlicher Büchereien im digitalen Zeitalter. Neue Zürcher Zeitung (NZZ), 09.04.2014, S. 13.

Eva-Christina Edinger & Ricarda T.D. Reimer, 2015: „Thirdspace als hybride Lernumgebung. Die Kombination materieller und virtuelle Lernräume“. In: Christian Bernhard, Katrin Kraus, Silke Schreiber-Barsch, Richard Stang (Hrsg.): “Erwachsenenbildung und Raum. Theoretische Perspektiven – professionelles Handeln – Rahmung des Lernens”, Reihe: Theorie und Praxis der Erwachsenenbildung, Bielefeld: Deutsches Institut für Erwachsenenbildung. S. 205 – 216.

Edinger, Eva-Christina und Reimer, Ricarda T. D., 2014: Open Schweiz – eine (selbst-)kritische Einschätzung aktueller Initiativen und Projekte zum Themenfeld Open Education Resources (OER). In: Missomelius, Petra; Sützl, Wolfgang; Hug, Theo; Grell, Petra und Kammerl, Rudolf (Hg.), Medien – Wissen – Bildung: Freie Bildungsmedien und Digitale Archive, Innsbruck: Innsbruck University Press. S. 257-276.

Edinger, Eva-Christina und Reimer, Ricarda T. D., 2013: Vernetzte Räume: Vom Bücherregal zur Bibliothek 2.0. Neue Standorte und Perspektiven. 027.7 Neue Zeitschrift für Bibliothekskultur, 1: S. 27-36. http://www.0277.ch/ojs/index.php/cdrs_0277/article/view/13/10 [Stand: 28.10.2013].

Löw, Martina, 2001: Raumsoziologie. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

Soja, Edward W., 1996: Thirdspace: Journeys to Los Angeles and Other Real-and-Imagined Places: Wiley.

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