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Über SystembibliothekarInnen

In drei Wochen geht es auf der GBV-Verbundkonferenz mal wieder um die Frage des „Make or buy“ in Bezug auf Discovery-Lösungen. In Lüneburg arbeiten wir seit ein paar Monaten daran, von „Buy“ auf „Buy and make better“ umzusteigen, indem wir in unseren gekauften Summon-Index im Zusammenhang des beluga 3.1-Projektes unter einer vuFind-Oberfläche präsentieren werden. Als Bibliothek ohne eigene Entwicklungsabteilung geht das nur mit einem externen Dienstleister, und auch die dafür notwendige Zuarbeit kostet uns viel Kraft und bringt uns zum Beispiel bei der Frage der PAIA-Konfiguration für die Darstellung von Verfügbarkeitsinformationen durchaus auch an Grenzen unserer systembibliothekarischen Kenntnisse.

Kein Wunder also, dass landauf, landab Stellen ausgeschrieben werden, mit denen Bibliotheken sich im Bereich der Verwaltung ihrer Bibliothekssysteme verstärken wollen. Die Bezeichnungen gehen zwar auseinander, aber SystembibliothekarInnen mit Kenntnissen in der Verwaltung von LBS und Co., Skriptsprachen und Metadatenmanagement sind gefragt, vielleicht gefragter denn je.

In einem kürzlich erschienenen Beitrag zur Software-Entwicklung in Bibliotheken analysiert Timo Borst von der ZBW den Arbeitsmarkt und macht auf die Schwierigkeiten aus Arbeitgeber-Sicht bei der Findung von Software-EntwicklerInnen, insbesondere auch weiblichen, aufmerksam. Ich nehme an, dass sich das auf SystembibliothekarInnen übertragen lässt – diverse einschlägige Stellen im Bereich des gehobenen Dienstes wurden jedenfalls trotz bisweilen ansprechender Dotierung wiederholt ausgeschrieben.

In der Regel scheint die Systembibliothekarin, von der man als Arbeitgeber träumt, eine bibliothekarische Ausbildung plus zusätzliche Kenntnisse und Fähigkeiten zu haben. Es gibt im dem von mir holzschnittartig analysierten Feld der Ausschreibungen zwar auch solche, bei denen gezielt (Wirtschafts-) InformatikerInnen gesucht werden, aber das ist anscheinend eher die Ausnahme. Warum und wie diese dann in der ausschreibenden Bibliothek auch „Spät- und Wochenenddienste“ leisten sollen, ist mir allerdings schleierhaft. Vielleicht aus einem Gerechtigkeitsgefühl gegenüber der restlichen bibliothekarischen Belegschaft heraus, denn die Eingruppierung von Systembibliothekarinnen ist eher überdurchschnittlich – im Rahmen der insgesamt begrenzten Möglichkeiten, natürlich.

Die Frage, wie gerecht es ist, die Gruppe von EntwicklerInnen und SystembibliothekarInnen im Verhältnis besser zu bezahlen als den Rest, habe ich mir schon vor sechs Jahren erfolglos gestellt, als ich über die Erfahrungen in der Arbeit der Software-Entwicklungsabteilung der SUB Hamburg berichtet habe. Vielleicht ergeben sich durch die neue Entgeltordnung Möglichkeiten zu honorieren, wenn sich KollegInnen aus den eher klassischen Bereichen auf den Weg machen, sich zum Beispiel Themen wie Metadatenmanagement über verschiedene Plattformen und Formate hinweg systematisch anzueignen. Wie Kollege Tu allerdings so schön schrieb: Die genannte Entgeltordnung müsste es wohl einmal in „leichter Sprache“ geben, um die entsprechenden Optionen zu eruieren.

Was allerdings in meinen Augen seit Jahr und Tag fehlt, sind qualifizierte Fortbildungsangebote, wie etwa den Masterstudiengang „Bibliotheksinformatik“ an der TU Wildau. Wenn ich jetzt eine neue Systembibliothekarin einstellen würde, die zwar Aufgeschlossenheit und Programmierungs-Grundkenntnisse mitbringt, wie lernt die dann mein Bibliothekssystem zu administrieren? Nur mit Dokumentationen, extra hinzugekauften Schulungen bei der Verbundzentrale und kollegialer Unterstützung aus anderen Häusern? Niemand wird als Systembibliothekarin geboren, aber das, was viele Stellenausschreibungen wollen, nämlich das konzeptionelle Mitdenken, das Abstrahieren der Parametrierungs-Vielfalt eines LBS mit Blick auf die mögliche Migration auf eine andere Lösung – ich glaube, wir täten gut daran, entsprechende Fortbildungsangebote zu konzipieren, möglicherweise an die bibliothekarischen Ausbildungsstätten anzudocken und dann auch als gezieltes Personalentwicklungsinstrument zu nutzen.

Meinen informellen Befragungen nach ist es jedenfalls so, dass die Wildauer Bibliotheksinformatik-Studierenden offenbar nur in Teilen interessiert sind, auf einschlägige ausgeschriebene Stellen zu wechseln, sondern das Studium eher als – zunächst – persönliche Weiterqualifizierung sehen, um sich vornehmlich in bestehenden Arbeitsverhältnissen weiter zu entwickeln. Sprich: Es ist nicht so, dass wenn der erste Durchgang in Wildau fertig ist, die SystembibliothekarInnen vom Himmel fallen. Das heißt im Umkehrschluss für uns als Arbeitgeber, dass vielleicht statt auf fertig ausgebildete KollegInnen zu warten besser daran tun, in die Weiterqualifizierung des vorhandenen Personals zu investieren? Vor diesem Hintergrund wäre es schön, wenn Programme wie zum Beispiel das „Kontaktstudium“ an der HdM in Stuttgart um Module zur bibliothekarischen Systemverwaltung ergänzt würden, um neben dem eher aufwändigen Wildauer Programm auch noch alternative Kursangebote zur Verfügung zu haben.

Für die Entwicklung von SystembibliothekarInnen aus den bibliothekarischen Kerngebieten spricht übrigens auch, dass man damit einen Beitrag zur Überwindung einer weiteren, eben nicht nur gehaltlichen Kluft leisten könnte, nämlich indem man die IT aus ihrem Silo herausholt, wie es Dale Askey und Lisa Hinchliffe beschrieben haben. IT spielt in jeglicher Hinsicht eine zentrale Rolle, und es ist an der Zeit, dem beim Nachdenken über Strukturen und Kompetenzen Rechnung zu tragen.

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