7. Januar 2013
von Brigitte Doellgast
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Am Samstag (5.1.2013) fand von 18 – 21 Uhr die Eröffnung der zweiten Installation unseres Projektes statt.
Julieta Aranda, Fia Backström und R. Lyon, die drei Künstler, gaben sich zunächst sehr bedeckt, was sie machen wollen und was am Samstag geschehen würde. Von Anfang war klar, dass sie besonders an unsere Katalogdatenbank interessiert waren. In den letzen Wochen und Monaten haben wir ihnen unsere in dem Katalogisierungsprogramm Allegro eingegebenen Daten in verschiedenen Versionen zugeschickt. Als sie am Mittwoch mit der Installation der Ausstellung begonnen haben, brachten sie auf großformatigen Papieren und Papierstreifen ausgedruckt Rohformen der Katalogdaten, mit allen Sonderzeichen und Lücken.
Am Freitag informierten sie uns dann, dass sie am Samstag eine dreistündige Lesung veranstalten wollten, bei der die Katalogeintragungen mit allen Sonderzeichen, Leerzeichen, Steuerzeichen etc. gelesen wurden. Insgesamt 17 Personen lasen für je 15 Minuten, teilweise zeitgleich und teilweise mit Unterstützung einer Computerstimme - die erheblich weniger Schwierigkeiten hatte, die z.T. wirklich kryptischen Symbole richtig zu bezeichnen. 30 Seiten der Katalogdatenbank wurden somit akustisch vorgeführt. Ein Besucher meinte, dass es eigentlich konsequenter wäre, wenn die gesamte Datenbank auf diese Weise gelesen würde. Ein ebenso interessanter wie erschreckender Gedanke – das wären nämlich 30.000 Seiten. 4 Monate würde es dauern, wenn man die Datenbank in einer 24/7 performance lesen lassen würde. Das würde die Toleranz aller Kollegen, die bisher unsere künstlerische Um- und Neuinterpretation der Bibliothek mit Interesse, Toleranz, Neugier und gelegentlichem Amüsement verfolgt haben, wohl doch überstrapazieren.
Zurück zu Samstag Abend: neben der Lesung und den partiellen Ausdrucken unserer Datenbank, gab es auch noch einige Ausdrucke, die in einem „human readable type“ geschrieben wurden. Mehr Infos zu dieser Schriftart, die nur von menschlichen Lesern (und nicht von Maschinen) gelesen werden kann und die Anleitung, wie man diesen „Schrifttypus“ auf seinem Computer installieren kann, finden sich hier
http://www.humanreadabletype.com/. Der Hintergrund dieser Typographie ist, dass die einzelnen Worte nicht von Maschinen korrekt gelesen werden können, der menschliche Leser kann aus den an sich unsinnigen Zeichenkombinationen, die an normale Schrifttypen erinnern (z.B. § für s) sinnvolle Zusammenhänge erschließen.
Der dritte Beitrag, der sich ebenfalls mit unserer Datenbank beschäftigt, ist ein Video, das einfach verfolgt, wie durch einen Ausschnitt der Daten die Wörter „Hitler“ und „Kafka“ verfolgt werden. Unterlegt ist das Ganze mit Musik einer deutschen Experimentalmusikerin.
Als ich die Künstler und unsere Kuratorin vorher fragte, wieviele Besucher sie für Samstag Abend erwarten, meinten sie, dass so ca. 30 bis 50 wohl kommen würden. Weit gefehlt – mehr als 100 Personen strömten im Laufe des Abends ins Goethe-Institut, schauten sich die Installation an und hörten der Lesung zu. Nachdem wir für das Projekt eine Anzeige bei
e-flux geschaltet hatten, verbreitete sich offensichtlich die Nachricht (und die Neugier). Außerdem hatte
www.artcards.cc das Projekt für Samstag Abend zu seinem „Editor’s Pick“ gewählt.