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Bibliothekarische Stimmen. Independent, täglich.

1. Oktober 2013
von Hans Luneborch
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Benediktbeuern: Altbestand bleibt

Der BR meldet: Mit rund 350.000 Büchern war die Benediktbeurer Klosterbibliothek zuletzt die größte Bibliothek Bayerns in katholischer Trägerschaft. Nun geht der Großteil des Bestandes an die Philosophisch-theologische Hochschule Benedikt XVI. im niederösterreichischen Heiligenkreuz. "Es ist ein dramatischer Verlust" (Dr. Philipp Gahn) In Benediktbeuern bleibt neben Büchern, die den Salesianern direkt zuzuordnen sind, lediglich der sogenannte Altbestand des Klosters. Das sind etwa 4.500 Bücher und Handschriften, die vor 1850 erschienen sind, darunter auch eine wertvolle Gebetbuchsammlung aus dem 15. Jahrhundert.

(update zu http://archiv.twoday.net/stories/444869379/)

25. August 2013
von Hans Luneborch
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Altarkanne aus Estland auf US-Auktion

Bei Alex Cooper in Baltimore kommt am Montag eine silberne Altarkanne aus Estland mit deutscher Inschrift zur Auktion. Die Kanne (Los # 2290), die das Auktionshaus etwas irreführend als ''Russian silver commemorative flagon'' bezeichnet, trägt eine gut lesbare deutsche Stiftungsinschrift, nach der der deutschbaltische Majoratsbesitzer von Carolen, Heinrich von Grote, die Kanne 1895 der Kirche von Carolen (Karolen, estnisch Karula) stiftete. Zur Provenienz schweigt sich der Auktionskatalog aus.

18. Juli 2013
von Hans Luneborch
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Von Benediktbeuern nach Heiligenkreuz – Salesianerbibliothek verschenkt

http://de.radiovaticana.va/news/2013/07/15/d_%C3%B6sterreich:_265.000_b%C3%BCcher_wechseln_die_bibliothek/ted-710654
Radio Vatikan meldet:''Die Hochschule Heiligenkreuz hat am Montag den Großteil der theologischen Fachbibliothek der Hochschule der Salesianer in Benediktbeuern/Bayern geschenkt bekommen." ... "Die Schenkung erfolgte laut einer Mitteilung der deutschen Provinz der Salesianer Don Boscos, da der theologische Lehrbetrieb in Benediktbeuern mit 30. September 2013 eingestellt wird." Nach dem Eintrag im Fabian Handbuch umfasste die Bibliothek 1997 schon 300.000 Bände mit beachtenswertem Altbestand von 14.000 Bänden.

13. Mai 2013
von Hans Luneborch
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The First Book Of Fashion

Ulinka Rublack, aus Deutschland stammende Frühneuzeithistorikerin in Cambridge, hat 2010 eine preisgekrönte Studie '' Dressing Up: Cultural Identity in Renaissance Europe'' vorgelegt und arbeitet derzeit an einer kommentierten Ausgabe der Trachtenbücher des Fugger-Hauptbuchhalters Matthäus Schwarz. In diesem Zusammenhang ließ sie jetzt zusammen mit der Kostümhistorikerin Jenny Tiramani das Gewand rekonstruieren, das Schwarz zum Augsburger Reichstag 1530 trug und hielt dies in in einem YOUTUBE-Video fest
Die Gewand-Abbildung in einer Abschrift auf Wikimedia Commons

[Einbettungscode von mir ergänzt KG]

12. April 2013
von Hans Luneborch
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Copyright und Gregorianik

Im Blog "New Liturgical Movement" liefert Jeffrey Tucker aus konservativer us-amerikanischer römisch-katholischer Perspektive " Theories why Liturgical Music died""; eine seiner bedenkenswerten Theorien ist, dass der Verfall der Kultur des Gregorianischen Gesangs im 20. Jahrhundert viel mit restriktivem Copyright zu tun hat: ''When the Graduals finally appeared in 1908, both the Solesmes and Vatican editions were held in copyright that was covered under the Berne Convention of 1886. This switch came about largely because of a dispute over rhythm. The sides in the debate went to their corners and came out fighting. Copyright was one of their weapons. That meant that their status as part of “free culture” came to an end. After 1913, Solesmes became the only authorized publisher. Everyone has had to ask and then pay, or face legal reprisals." Das was in den 1960er Jahren zu Tuckers Kummer an gottesdienstlicher Musik aufkam, verdankte sich der freien Kultur der Folk Music - und seine Hoffnung ist, dass eine neue Open Access Bewegung auf dem Feld des Gregorianischen Gesangs diesen auch wieder mehr zugänglich macht für den Gebrauch in Kirchengemeinden.

11. März 2013
von Hans Luneborch
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Die Alben der Brüder Anthing

An diesem Wochenende ging in Weimar eine bemerkenswerte Ausstellung zu Freundschaftsalben (Stammbüchern) zu Ende. Die Stammbuchsammlung der Herzogin Anna Amalia Bibliothek umfasst ca. 1100 Exemplare aus der Zeit von 1550 bis 1950 und ist der größte Bestand dieser Art weltweit. Es gibt auch einen virtuelle Variante der Ausstellung, und es ist zu hoffen, dass sie im Netz erhalten bleibt:
http://freundschaftsbuecher.klassik-stiftung.de/ausstellung/
Freundschaftsalben (Alba amicorum) haben in den letzten Jahren vertieftes Interesse als Quellen zur Geistes- und Kulturgeschichte sowie als biographische Primärquellen erfahren. Das Erlanger “Repertorium Alborum Amicorum” (RAA) umfasst inzwischen 142.000 Stammbuch- und Eintrags-Datensätze aus rund 620 Bibliotheken und Archiven aus 24 Ländern – allerdings ohne Hinweise auf Digitalisate.
http://www.raa.phil.uni-erlangen.de/
Zwei Beispiele mögen die europäische Dimension dieses Kulturguts zeigen und zugleich die Bandbreite dessen, wie sie heute zugänglich sind.
Es handelt sich um die Brüder Carl Heinrich Wilhelm Anthing (1766-1823) und Johann Friedrich Anthing (1752-1805) aus Gotha:
http://de.wikipedia.org/wiki/Carl_Heinrich_Wilhelm_Anthing
http://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Friedrich_Anthing
Carl Heinrich Wilhelm wird Offizier in holländischen Diensten, bringt es bis zum General und Befehlshaber der niederländischen Ostindien-Truppen. Seinen Lebensabend verbringt er in Gotha, und seine exotischen Mitbringsel aus Java kamen in die herzogliche Sammlung auf Schloss Friedenstein. Er führte ein Album Amicorum, das auf 113 Blättern 204 Einträge von 1784 bis 1818 enthält. Es wird heute in der Königlichen Bibliothek der Niederlande verwahrt. Von besonderer Bedeutung sind darin die Eintragungen der 1798 von Anthing im Huis ten Bosch internierten Deputierten.
http://opc4.kb.nl/DB=1/SET=8/TTL=16/REL?PPN=137123590
Alle Seiten sind komplett im Katalog der Bibliothek recherchierbar und digitalisiert in guter Auflösung abrufbar - allerdings offenbar ohne eine Möglichkeit, das Buch zu durchblättern, die Seiten müssen einzeln aufgerufen werden.
http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Anthing_113r.jpg
Johann Friedrich hatte die Begabung, Silhouetten zu schneiden. Er reiste damit durch die europäischen Höfe. 1789 war er in Weimar, wo er unter anderem die Silhouetten Goethes, von Herzog Karl August und seiner Mutter Anna Amalia zeichnete und mit der Verleihung des Titel Rat geehrt wurde. Ab 1793 lebte er ständig in Sankt Petersburg, wohin er schon zuvor (1784 bis 1786) gereist war. Er schuf Scherenschnitte der Mitglieder des kaiserlichen Hofes. Marschall Alexander Wassiljewitsch Suworow ernannte ihn zu seinem Sekretär und Adjutanten. Später verfasste er eine dreibändige Biographie Suworows. Nach der Krönung von Zar Paul I. fiel Suworow in Ungnade, und Anthing musste 1797 seinen Abschied nehmen. Die letzten Jahre seines Lebens verbrachte er verarmt in Sankt Petersburg.

Johann Friedrich Anthing legte mindestens zwei eigene Alben mit Eintragungen und Scherenschnitten an.
Das eine, mit Eintragungen und Scherenschnitten vor allem aus Weimar, soll Martin Schubart(-Czermack) in Dresden in einem Antiquitätenladen gefunden und erworben haben. Später war es bei seiner Witwe Sophie Schubart-Czermack, der Tochter von Johann Nepomuk Czermak, in München. Dieses Album enthielt auf 156 Blättern im Format 24x16 cm insgesamt 158 Stammbuch-Eintragungen aus den Jahren 1784—1804, aus fast ganz Europas stammend und größtenteils mit Silhouetten von Anthings Hand. In dieses Album schrieb sich Johann Wolfgang von Goethe am 7. September 1789 ein:

Es mag ganz artig seyn wenn Gleich' und Gleiche
In Proserpinens Park spazieren gehn,
Doch besser scheint es mir im Schattenreiche
Herrn Antings sich hinoben wiedersehn.

44 der Silhouetten in diesem Album verwendete Anthing 1791 in seiner Veröffentlichung Collection de cent silhouettes de personnes illustres et célèbres dessinées d'après les originaux.
1914 hat Großfürst Nikolai Michailowitsch Romanow dieses Album durch den Berliner Händler Karl Ernst Henrici erworben, sein weiteres Schicksal ist unbekannt. Dabei wurden sechs Blätter mit zwölf Eintragungen (Goethe/Alois Friedrich von Brühl; Karl Theodor von Dalberg/Herzog August von Sachsen-Gotha-Altenburg; Herzog Karl August von Sachsen-Weimar-Eisenach/Bischof Serapion von Moskau; Herzogin Anna Amalia/Frederick Hervey, 4. Earl of Bristol; Emily Gore/Joseph Maria Karl von Lobkowitz; Katharina zu Stolberg/Fürst Caradja) entfernt und an Frau Schubart-Czermak zurückgegeben. Um 1916 fertigte die Münchner Malerin und Restauratorin Annette von Eckardt von sieben dieser Eintragungen Faksimiles an: Johann Wolfgang von Goethe; Herzog August von Sachsen-Gotha-Altenburg, Herzog Karl August von Sachsen-Weimar-Eisenach, Herzogin Anna Amalia, Katharina zu Stolberg, Emily Gore und Karl Theodor von Dalberg. Ein Exemplar der Faksimiles besaß später der Antiquar Emil Hirsch, eins erwarb 2004 das Düsseldorfer Goethe-Museum, und eins ist 2013 im Kunsthandel. Die sechs Originalblätter kamen 1929 bei Leo Liepmannsohn in Berlin zur Versteigerung. Zu einen unbekannten Zeitpunkt (die in RAA nachgewiesene Signatur “NW 169/1957” lässt 1957 vermuten) erwarb sie das Düsseldorfer Goethe-Museum (Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung) in Schloss Jägerhof.

Ein zweites Album bestand aus zwei Bänden mit 214 Autographen von Gelehrten, Künstlern und Familienmitgliedern mit 144 Silhouetten. 1897 erwarb der russische Graf Sergej Dimitriewitsch Scheremetew (Scheremetjev) es in der Auktion der Collections Baart de la Faille et Vitringa durch das Antiquariat von F. Muller in Amsterdam (Nr. 350 des Auktionskatalogs). Auch diese Autographen hatte Anthing auf seinen Reisen durch Frankreich, England, Deutschland, Polen und Russland gesammelt. Nach der Russischen Revolution kam dieses Album offenbar in den Besitz des Russischen Staatsarchivs für Literatur und Kunst, das die Provenienz allerdings auf Scheremetews Tante Elisabeth Döhler, die Frau von Theodor Döhler, zurückführt. Heute erhalten sind 111 Blätter mit Einträgen zwischen 1783 und 1804.
Von diesem Album sind, wenn ich richtig gesucht und gezählt habe, 15 Einträge als Digitalisate in mässiger Auflösung und mit Wasserzeichen online zugänglich.
http://rgali.ru/object/215506006/H_10686091?lc=en
Vom anderen Album fehlt jede Spur – aber vielleicht weiss ja ein Leser mehr…
Die sechs Blätter in Düsseldorf liegen nicht digitalisiert vor; die Bitte, sie für die Nutzung in Wikipedia unter einer freien Lizenz ins Netz zu stellen, wurde durch die Kuratorin Dr. Heike Spies abgelehnt. So ist man immer noch auf eine Kopie aus dem Auktionskatalog von 1927 angewiesen (das “[http://pro.europeana.eu/documents/858566/2cbf1f78-e036-4088-af25-94684ff90dc5|Problem des gelben Milchmädchens]” hat sich wohl noch nicht bis nach Düsseldorf herumgesprochen …

http://commons.wikimedia.org/wiki/File:GoetheAnthing.png