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Bibliothekarische Stimmen. Independent, täglich.

20. Januar 2015
von Skriptorium
Kommentare deaktiviert für Hirschi und Spoerhase zur Zukunft des geisteswissenschaftlichen Buches

Hirschi und Spoerhase zur Zukunft des geisteswissenschaftlichen Buches

In einem lesenswerten Beitrag in Heft Nr. 788 der Zeitschrift Merkur machen sich Caspar Hirschi und Carlos Spoerhase Gedanken über die Zukunft des geisteswissenschaftlichen Buches. Entgegen landläufiger Annahmen sehen sie hier weder in der Aufweichung des Urheberrechts, weder bei Amazon oder in der Buchpiraterie ein nennenswertes Problem. Die Bedrohung kommt vielmehr aus dem Verlagswesen selbst.

Hier sind an erster Stelle die exorbitant gestiegenen Preise für wissenschaftliche Zeitschriften zu nennen, die dazu geführt haben, dass Bibliotheken als wichtige Käufergruppe weggebrochen sind. Auch der private Buchkauf ist stark rückläufig, was u.a. daran liegt, dass zuwenig auf lesbare Qualität geachtet wird. Im Gegensatz zu früheren Zeiten bricht geistewissenschaftlichen Büchern daher das Publikum weg. Manche Verlage reagieren darauf, dass sie vermehrt Handbücher und Einführungen publizieren, Werke, die überdies gerne von Bibliotheken gekauft werden, was bei ohnehin bestenfalls stagnierenden Buchetats die Krise des klassischen geisteswissenschaftlichen Buches nur noch verschärft.

Interessant ist auch die Kritik am goldenen Weg von Open Access, bei dem die Gefahr gesehen wird, dass das für die Literaturversorgung zur Verfügung stehende Geld nun zwar nicht mehr für Abonnements, jetzt aber in vergleichbarer Höhe für die Publikation von Zeitschriftenbeiträgen ausgegeben wird. Die kritische Lage bei den Büchern wird sich so nicht entspannen, vielleicht sogar - als unbedachter Kollateralschaden - noch verstärken.

Generell problematisch finden die Autoren die mit Druckkostenzuschüssen subventionierte Publikationskultur, die zu Veröffentlichungen ohne Rücksicht auf die Leser führt. Wissenschaftliches Publizieren nähert sich so der vanity press an.

Im Ergebnis plädieren beide Autoren für weniger Bücher höherer Qualität.

Nach der Lektüre des Beitrages bleibt ein gewisses Gefühl der Unzufriedenheit. Denn die Autoren lassen sich zu wenig auf den gerade stattfindenden medialen Wandel ein. Es ist überhaupt nicht ausgemacht, dass das Format der umfangreichen geisteswissenschaftlichen Monographie den zunehmend auch in den Geisteswissenschaften digital arbeitenden Menschen auf die Dauer gleich wichtig sein wird.

Es kann durchaus sein, dass kleinere Formate wie Blogs und kurze Arbeitspapiere eine halbherzige Buchpublikation, der sicher auch Hirschi und Spoerhase keine Träne nachweinen werden, ersetzen kann. Sehr ernsthaft nachdenken sollte man auch über die Dissertation, die in nicht wenigen Fällen nur eine umständlich verpackte und aufgeblähte These ist. 100 Seiten, originell und gut und elektronisch, können auch reichen. Dafür sollte man lieber bei der Habilitation die große Monographie verbindlich fordern. Hier besteht nämlich im Gegensatz zum Promotionswesen die begründete Hoffnung auf weniger Bücher in höherer Qualität.

Ein weiterer Punkt, der Vertiefung verdient, ist die Anschaffungspolitik der Bibliotheken, die immer mehr auf leichte und nutzerfreundliche Kost (Handbücher, Einführungen) setzen. Hier könnte man fragen, ob es nicht gerade Aufgabe der Fachreferenten vor allem in den Geisteswissenschaften sein sollte, aktuelle Debatten aufmerksam zu verfolgen und einen intellektuell anregenden Bestandsaufbau zu pflegen. Langfristig könnte das für die Leser besser sein, als die Zeit in irgendwelchen pseudo-aktuellen Projekten zu verplempern.

Auch wenn hier der Aufsatz von Hirschi und Spoerhase vielleicht etwas zu wenig visionär ist, in einem Punkt verdient er 100%ige Zustimmung: Das Urheberrecht ist NICHT das Problem, dient es doch vor allem dazu, die für das geisteswissenschaftliche Buch verheerende Geschäftspolitik einiger weniger Großverlage abzusichern. Dass sich gerade kleine Mittelständler, erkläre Liebhaber des klassischen Buches sowie "Professoren aus Heidelberg" bei Liberalisierungen der für die Wissenschaft geltenden Schrankenbestimmungen immer wieder als schrille Mahner und Warner aufschwingen, ist völlig unverständlich. Sie sind im Grunde nur nützliche Idioten, die den Großverlagen, die ihnen im Erwerbungsetat der Bibliotheken auch noch das letzte Wasser abgraben, willig die Schaufel reichen.

Eine korrigierende Anmerkung: Die Autoren stellen verlgeichend die Situation in den USA und in Frankreich dar, weil es hier im Gegensatz zu Deutschland bessere Untersuchungen über die Publikationswirklichkeit in den Geisteswissenschaften gibt. In diesem Zusammenhang wird, offenbar als Anspielung auf § 52a UrhG behauptet, dass in den USA "scannende Unidozenten" nicht der Grund "für die Nachfragekriese" bei den geisteswissenschaftlichen Büchern sind, weil es das "amerikanische Copyright" verbiete, "den Studierenden digitale Ausschnitte aus geschützen Werken zur Verfügung zu stellen." Das ist falsch. Der "teach act" von 2002 erlaubt sogar eine weitergehende digitale Nutzung als § 52a UrhG.

Im Zusammenhang mit den übrigen Ausführungen der beiden Autoren kann man die Behauptung, § 52a UrhG sei ein Problem für den Buchabsatz, endgültig in das Reich der Märchen verbannten. 52a UrhG ist vielmehr eine Chance, dass Studierende bestimmte Bücher überhaupt noch zur Kenntnis nehmen. Man nennt das die Schaffung von Nachfrage. In anderen Zusammenhängen heißt so etwas "Wirtschaftsförderung". Nur im Urheberrecht soll das eine "Enteignung" sein?? Nach der Lektüre des Beitrages von Hirschi und Spoerhase fällt man auf diesen Trick hoffentlich nicht mehr herein.

Quelle: Caspar Hirschi, Carlos Spoerhase: Die Gefährdung des geisteswissenschaftlichen Buches : Die USA, Frankreich und Deutschland im Vergleich, in: Merkur 69 (2014), H. 788, S. 5-18.

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20. Januar 2015
von Skriptorium
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Hirschi und Spoerhase zur Zukunft des geisteswissenschaftlichen Buches

In einem lesenswerten Beitrag in Heft Nr. 788 der Zeitschrift Merkur machen sich Caspar Hirschi und Carlos Spoerhase Gedanken über die Zukunft des geisteswissenschaftlichen Buches. Entgegen landläufiger Annahmen sehen sie hier weder in der Aufweichung des Urheberrechts, weder bei Amazon oder in der Buchpiraterie ein nennenswertes Problem. Die Bedrohung kommt vielmehr aus dem Verlagswesen selbst.

Hier sind an erster Stelle die exorbitant gestiegenen Preise für wissenschaftliche Zeitschriften zu nennen, die dazu geführt haben, dass Bibliotheken als wichtige Käufergruppe weggebrochen sind. Auch der private Buchkauf ist stark rückläufig, was u.a. daran liegt, dass zuwenig auf lesbare Qualität geachtet wird. Im Gegensatz zu früheren Zeiten bricht geistewissenschaftlichen Büchern daher das Publikum weg. Manche Verlage reagieren darauf, dass sie vermehrt Handbücher und Einführungen publizieren, Werke, die überdies gerne von Bibliotheken gekauft werden, was bei ohnehin bestenfalls stagnierenden Buchetats die Krise des klassischen geisteswissenschaftlichen Buches nur noch verschärft.

Interessant ist auch die Kritik am goldenen Weg von Open Access, bei dem die Gefahr gesehen wird, dass das für die Literaturversorgung zur Verfügung stehende Geld nun zwar nicht mehr für Abonnements, jetzt aber in vergleichbarer Höhe für die Publikation von Zeitschriftenbeiträgen ausgegeben wird. Die kritische Lage bei den Büchern wird sich so nicht entspannen, vielleicht sogar - als unbedachter Kollateralschaden - noch verstärken.

Generell problematisch finden die Autoren die mit Druckkostenzuschüssen subventionierte Publikationskultur, die zu Veröffentlichungen ohne Rücksicht auf die Leser führt. Wissenschaftliches Publizieren nähert sich so der vanity press an.

Im Ergebnis plädieren beide Autoren für weniger Bücher höherer Qualität.

Nach der Lektüre des Beitrages bleibt ein gewisses Gefühl der Unzufriedenheit. Denn die Autoren lassen sich zu wenig auf den gerade stattfindenden medialen Wandel ein. Es ist überhaupt nicht ausgemacht, dass das Format der umfangreichen geisteswissenschaftlichen Monographie den zunehmend auch in den Geisteswissenschaften digital arbeitenden Menschen auf die Dauer gleich wichtig sein wird.

Es kann durchaus sein, dass kleinere Formate wie Blogs und kurze Arbeitspapiere eine halbherzige Buchpublikation, der sicher auch Hirschi und Spoerhase keine Träne nachweinen werden, ersetzen kann. Sehr ernsthaft nachdenken sollte man auch über die Dissertation, die in nicht wenigen Fällen nur eine umständlich verpackte und aufgeblähte These ist. 100 Seiten, originell und gut und elektronisch, können auch reichen. Dafür sollte man lieber bei der Habilitation die große Monographie verbindlich fordern. Hier besteht nämlich im Gegensatz zum Promotionswesen die begründete Hoffnung auf weniger Bücher in höherer Qualität.

Ein weiterer Punkt, der Vertiefung verdient, ist die Anschaffungspolitik der Bibliotheken, die immer mehr auf leichte und nutzerfreundliche Kost (Handbücher, Einführungen) setzen. Hier könnte man fragen, ob es nicht gerade Aufgabe der Fachreferenten vor allem in den Geisteswissenschaften sein sollte, aktuelle Debatten aufmerksam zu verfolgen und einen intellektuell anregenden Bestandsaufbau zu pflegen. Langfristig könnte das für die Leser besser sein, als die Zeit in irgendwelchen pseudo-aktuellen Projekten zu verplempern.

Auch wenn hier der Aufsatz von Hirschi und Spoerhase vielleicht etwas zu wenig visionär ist, in einem Punkt verdient er 100%ige Zustimmung: Das Urheberrecht ist NICHT das Problem, dient es doch vor allem dazu, die für das geisteswissenschaftliche Buch verheerende Geschäftspolitik einiger weniger Großverlage abzusichern. Dass sich gerade kleine Mittelständler, erkläre Liebhaber des klassischen Buches sowie "Professoren aus Heidelberg" bei Liberalisierungen der für die Wissenschaft geltenden Schrankenbestimmungen immer wieder als schrille Mahner und Warner aufschwingen, ist völlig unverständlich. Sie sind im Grunde nur nützliche Idioten, die den Großverlagen, die ihnen im Erwerbungsetat der Bibliotheken auch noch das letzte Wasser abgraben, willig die Schaufel reichen.

Eine korrigierende Anmerkung: Die Autoren stellen verlgeichend die Situation in den USA und in Frankreich dar, weil es hier im Gegensatz zu Deutschland bessere Untersuchungen über die Publikationswirklichkeit in den Geisteswissenschaften gibt. In diesem Zusammenhang wird, offenbar als Anspielung auf § 52a UrhG behauptet, dass in den USA "scannende Unidozenten" nicht der Grund "für die Nachfragekriese" bei den geisteswissenschaftlichen Büchern sind, weil es das "amerikanische Copyright" verbiete, "den Studierenden digitale Ausschnitte aus geschützen Werken zur Verfügung zu stellen." Das ist falsch. Der "teach act" von 2002 erlaubt sogar eine weitergehende digitale Nutzung als § 52a UrhG.

Im Zusammenhang mit den übrigen Ausführungen der beiden Autoren kann man die Behauptung, § 52a UrhG sei ein Problem für den Buchabsatz, endgültig in das Reich der Märchen verbannten. 52a UrhG ist vielmehr eine Chance, dass Studierende bestimmte Bücher überhaupt noch zur Kenntnis nehmen. Man nennt das die Schaffung von Nachfrage. In anderen Zusammenhängen heißt so etwas "Wirtschaftsförderung". Nur im Urheberrecht soll das eine "Enteignung" sein?? Nach der Lektüre des Beitrages von Hirschi und Spoerhase fällt man auf diesen Trick hoffentlich nicht mehr herein.

Quelle: Caspar Hirschi, Carlos Spoerhase: Die Gefährdung des geisteswissenschaftlichen Buches : Die USA, Frankreich und Deutschland im Vergleich, in: Merkur 69 (2014), H. 788, S. 5-18.

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19. Dezember 2014
von Skriptorium
Kommentare deaktiviert für buchhandel.de vs. amazon.de …

buchhandel.de vs. amazon.de …

Heute habe ich im Radio eine Buchrezension gehört. Der Titel hat mich interessiert. Und ich habe ihn mir gekauft. Bei dieser Gelegenheit habe ich das neue Portal des Buchhandels und Amazon miteinander vergleichen können. Gutmensch, der ich bin, habe ich zunächst buchhandel.de angesteuert.

Um es kurz zu machen: Das Ergebnis war grottig. Keine Information, ob das Buch gebunden ist oder nicht, keine Möglichkeit, den Titel anzublättern, keine Besprechungen und auch keine Gebrauchtangebote.
https://www.buchhandel.de/buch/Die-granulare-Gesellschaft-9783550080760

Also auf zu Amazon: http://www.amazon.de/Die-granulare-Gesellschaft-Digitale-Wirklichkeit/dp/355008076X

Das Ende vom Lied: Ich habe das Buch für 3 € unter Ladenpreis als Remittende erworben.

Lieber Buchhandel, mit Eurem Portal könnt Ihr mit Tante Amazon leider nicht konkurrieren.

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19. Dezember 2014
von Skriptorium
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buchhandel.de vs. amazon.de …

Heute habe ich im Radio eine Buchrezension gehört. Der Titel hat mich interessiert. Und ich habe ihn mir gekauft. Bei dieser Gelegenheit habe ich das neue Portal des Buchhandels und Amazon miteinander vergleichen können. Gutmensch, der ich bin, habe ich zunächst buchhandel.de angesteuert.

Um es kurz zu machen: Das Ergebnis war grottig. Keine Information, ob das Buch gebunden ist oder nicht, keine Möglichkeit, den Titel anzublättern, keine Besprechungen und auch keine Gebrauchtangebote.
https://www.buchhandel.de/buch/Die-granulare-Gesellschaft-9783550080760

Also auf zu Amazon: http://www.amazon.de/Die-granulare-Gesellschaft-Digitale-Wirklichkeit/dp/355008076X

Das Ende vom Lied: Ich habe das Buch für 3 € unter Ladenpreis als Remittende erworben.

Lieber Buchhandel, mit Eurem Portal könnt Ihr mit Tante Amazon leider nicht konkurrieren.

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27. November 2014
von Skriptorium
Kommentare deaktiviert für Grundsatz der Medienanthropologie

Grundsatz der Medienanthropologie

"Neue Technologien schaffen keine neuen Menschen. Jede Generation von Nutzern setzt die ihnen zur Verfügung stehenden Medien ein, um jene strategischen Ziele zu erreichen, die auch schon ihre nahen und fernen Vorfahren hatten."
Matthias Uhl, Medien - Gehirn - Evolution : Mensch und Medienkultur verstehen ; ein transdisziplinäre Medienanthropologie, Bielefeld 2009 (Medienumbrüche ; 43), S. 320.

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27. November 2014
von Skriptorium
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Grundsatz der Medienanthropologie

"Neue Technologien schaffen keine neuen Menschen. Jede Generation von Nutzern setzt die ihnen zur Verfügung stehenden Medien ein, um jene strategischen Ziele zu erreichen, die auch schon ihre nahen und fernen Vorfahren hatten."
Matthias Uhl, Medien - Gehirn - Evolution : Mensch und Medienkultur verstehen ; ein transdisziplinäre Medienanthropologie, Bielefeld 2009 (Medienumbrüche ; 43), S. 320.

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12. August 2014
von Skriptorium
Kommentare deaktiviert für Verbreitung juristischer Verlagsdissertationen

Verbreitung juristischer Verlagsdissertationen

Weit über 80% der juristischen Dissertationen erscheinen gegenwärtig in Verlagen und werden über den Buchhandel vertrieben. In den Grundsätzen für die Veröffentlichung von Dissertationen vom 29.04.1977 i. d. F. vom 30.10.1997 der KMK wird für Verlagspublikationen eine Mindestauflage von 150 Exemplaren erwartet, offenbar um eine angemessene Verbreitung sicherzustellen.

Interessant ist freilich die Frage, wie verbreitet Dissertationen, die über Verlage veröffentlicht werden, tatsächlich sind. Ein guter Indikator hierfür ist die Anzahl der Bibliotheken in den Verbundkatalogen, die eine Arbeit in ihren Beständen haben. Damit werden zwar kleine wissenschaftliche Bibliotheken, die Bibliotheken Auslandes und private Bestände, aber auch eventuelle Mehrfachexemplare nicht sauber erfasst, für einen repräsentativen Eindruck reicht diese Methode aber aus.

Wir haben in der UB Hagen 110 juristische Verlagsdissertationen untersucht, die zwischen 1997 und 2010 erschienen sind. Es ist davon auszugehen, dass für diese Arbeiten die Erwerbungen der Bibliotheken weitgehend abgeschlossen sind, so dass in der Rückschau nunmehr die tatsächliche Verbreitung der Arbeiten sichtbar wird.

Hier nun das Ergebnis: Die Arbeiten sind im Schnitt in 21 Bibliotheken zu finden. 22 Arbeiten stehen in weniger als 10 Bibliotheken, 25 in mehr als 30 Einrichtungen. Lediglich 3 Arbeiten waren in mehr als 50 Bibliotheken zu finden. Der höchste Wert lag bei 87 Bibliotheken, allerdings war dies eine Arbeit, die in einem großen eBook-Paket enthalten war und insoweit nicht repräsentativ ist.

Festzuhalten ist, dass nur ein kleiner Teil der Mindestauflage von 150 Exemplaren tatsächlich in Bibliotheken landet. Bedenklich ist, dass der Durchschnitt kleiner ist als die Zahl der Juristischen Fakultäten in Deutschland.

Fazit: Für die reine Zugänglichkeit zu einem Text sind gedruckte Verlagsdissertationen als Verbreitungsweg nicht zu empfehlen. Soweit Verlage eBook-Pakete anbieten und diese Pakte weit verbreitet sind, sieht die Perspektive günstiger aus.

Angesichts dieser doch sehr ernüchternden Befunde verwundert die Zurückhaltung von angehenden Doctores juris beim Thema Open Access. Weniger als 3% (2013, deutschlandweit) der Doktoranden können sich gegenwärtig damit anfreunden.

Als mögliche Gründe für diese Zurückhaltung können sinnvoll vermutet werden:
- der Wunsch, ein gedrucktes Bund in der Hand zu haben (Juristen sind buchaffin!)
- die Unkenntnis, über die tatsächliche Verbreitung von gedruckten Dissertationen

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12. August 2014
von Skriptorium
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Verbreitung juristischer Verlagsdissertationen

Weit über 80% der juristischen Dissertationen erscheinen gegenwärtig in Verlagen und werden über den Buchhandel vertrieben. In den Grundsätzen für die Veröffentlichung von Dissertationen vom 29.04.1977 i. d. F. vom 30.10.1997 der KMK wird für Verlagspublikationen eine Mindestauflage von 150 Exemplaren erwartet, offenbar um eine angemessene Verbreitung sicherzustellen.

Interessant ist freilich die Frage, wie verbreitet Dissertationen, die über Verlage veröffentlicht werden, tatsächlich sind. Ein guter Indikator hierfür ist die Anzahl der Bibliotheken in den Verbundkatalogen, die eine Arbeit in ihren Beständen haben. Damit werden zwar kleine wissenschaftliche Bibliotheken, die Bibliotheken Auslandes und private Bestände, aber auch eventuelle Mehrfachexemplare nicht sauber erfasst, für einen repräsentativen Eindruck reicht diese Methode aber aus.

Wir haben in der UB Hagen 110 juristische Verlagsdissertationen untersucht, die zwischen 1997 und 2010 erschienen sind. Es ist davon auszugehen, dass für diese Arbeiten die Erwerbungen der Bibliotheken weitgehend abgeschlossen sind, so dass in der Rückschau nunmehr die tatsächliche Verbreitung der Arbeiten sichtbar wird.

Hier nun das Ergebnis: Die Arbeiten sind im Schnitt in 21 Bibliotheken zu finden. 22 Arbeiten stehen in weniger als 10 Bibliotheken, 25 in mehr als 30 Einrichtungen. Lediglich 3 Arbeiten waren in mehr als 50 Bibliotheken zu finden. Der höchste Wert lag bei 87 Bibliotheken, allerdings war dies eine Arbeit, die in einem großen eBook-Paket enthalten war und insoweit nicht repräsentativ ist.

Festzuhalten ist, dass nur ein kleiner Teil der Mindestauflage von 150 Exemplaren tatsächlich in Bibliotheken landet. Bedenklich ist, dass der Durchschnitt kleiner ist als die Zahl der Juristischen Fakultäten in Deutschland.

Fazit: Für die reine Zugänglichkeit zu einem Text sind gedruckte Verlagsdissertationen als Verbreitungsweg nicht zu empfehlen. Soweit Verlage eBook-Pakete anbieten und diese Pakte weit verbreitet sind, sieht die Perspektive günstiger aus.

Angesichts dieser doch sehr ernüchternden Befunde verwundert die Zurückhaltung von angehenden Doctores juris beim Thema Open Access. Weniger als 3% (2013, deutschlandweit) der Doktoranden können sich gegenwärtig damit anfreunden.

Als mögliche Gründe für diese Zurückhaltung können sinnvoll vermutet werden:
- der Wunsch, ein gedrucktes Bund in der Hand zu haben (Juristen sind buchaffin!)
- die Unkenntnis, über die tatsächliche Verbreitung von gedruckten Dissertationen

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8. August 2014
von Skriptorium
Kommentare deaktiviert für Gute Raubkopie – schlechte Raubkopie

Gute Raubkopie – schlechte Raubkopie

2011 habe ich einen kleinen Beitrag in der Festschrift für Norbert Trippen veröffentlicht:

Eine kurze Geschichte der Ausbildung katholischer Theologen in Deutschland, in: Heinz Finger, Reimund Haas, Hermann-Josef Scheidgen (Hrsg.), Ortskirche und Weltkirche : kölnische Kirchengeschichte zwischen Mittelalter und Zweitem Vatikanum : Festgabe für Norbert Trippen zum 75. Geburtstag. - Köln [u.a.] : Böhlau, 2011 (Bonner Beiträge zur Kirchengeschichte ; 28), S. 899-913.

Wie bei Festschriften üblich, gab es keine Kommunikation zwischen den Herausgebern und den Autoren über Nutzungsrechte. Das ist auch nicht weiter notwendig, weil § 38 Abs. 1 und 2 UrhG sowie § 31 Abs. 5 UrhG hier ausreichende Regelungen enthalten. Danach haben die Herausgeber von mir als Autor für die Dauer eines Jahres ausschließliche Nutzungsrechte für die Vervielfältigung und Verbreitung erhalten. Auf dieser Grundlage konnten die Herausgeber einen Vertrag mit dem Verlag abschließen.

Was dort im Einzelnen vereinbart wurde, muss mich als Autor nicht interessieren, denn im Urheberrecht können nur solche Rechte übertragen werden, über die man tatsächlich verfügen kann: Mehr als das, was ich den Herausgebern eingeräumt habe, kann der Verlag in keinem Fall bekommen.

Mitterweile hat der Böhlau-Verlag angefangen, in Kooperation mit De Gruyter seine Titel auch im Internet öffentlich zugänglich zu machen. Das betrifft jetzt auch meinen Beitrag: http://www.degruyter.com/view/books/boehlau.9783412214128/boehlau.9783412214128.899/boehlau.9783412214128.899.xml.

Darin liegt ein Eingriff in mein Verwertungsrecht aus § 19a UrhG. Das ist nur in Ordnung, wenn der Verlag ein entsprechendes Nutzungsrecht erhalten hat. Ein solches Nutzungsrecht sehe ich erstmal nicht.

Erstes betrifft die 2010/11 erfolgte Rechteübertragung nach § 38 UrhG a.F. NUR die Printnutzung.

Zweitens war auch von den Herausgebern NIEMALS die Publikation als eBook im Internet in Aussicht gestellt worden, so dass auch nach § 31 Abs. 5 UrhG nicht vermutet werden kann, dass diese Rechte ebenfalls eingeräumt worden sind. Selbst wenn die Herausgeber in ihrem Vertrag mit dem Verlag etwas anderes vereinbart haben, von mir als Autor hatten sie nicht in ausreichendem Maße Nutzungsrechte erhalten, um diese wirksam an den Verlag übertragen zu können.

Möglicherweise wird der Verlag sich darauf berufen, dass er umfassende Rechte an dem Sammelwerk an sich hat. Mag sein. Aber es gehört zum ganz kleinen Grundwissen im Urheberrecht, dass man zwischen den Rechten am Sammelwerken und den Rechten an den Bestandteilen der Sammlung sauber trennen muss: vgl. Dreier/Schulze, UrhR, § 4, Rn. 4.

Diese Trennung betrifft auch die Übertragung der Nutzungsrechte an Dritte, die der Urheber des Sammelwerkes ausnahmsweise ohne weitere Rücksprache vornehmen darf, vgl. Dreier/Schulze, UrhG, § 34, Rn. 26: "Die Zustimmung der Urheber der gesammelten Werke wird nur hinsichtlich desjenigen Nutzungsrechts ersetzt, welches sie dem Urheber des Sammelwerkes zuvor bereits eingeräumt hatten. Waren dem Herausgeber ... Druckrechte an einem Beitrag eingeräumt worden [so war es ja hier! , Anm. ES], kann er ohne gesonderte Zustimmung der Beitragsverfasser keine Online-Nutzungsrechte vergeben."

Man kann es drehen und wenden, wie man will: Der Verlag hat da wohl eine Raubkopie ins Netz gestellt!

Und jetzt? Im Grunde habe ich ja nichts dagegen, wenn mein Text gut sichtbar ist. Aber dass der Verlag jetzt auch noch 30€ für den Aufsatz vom zahlenden Leser haben möchte? Das wäre ja fast schon Piraterie.

Man stelle ich nur einmal den umgekehrten Fall vor, dass der Autor vertragswidrig Inhalte in Netz gestellt hätte ...

Als Autor bin ich zunächst einmal sauer. Doch was soll ich machen? Ich könnte den Verlag auf Unterlassung in Anspruch nehmen. Aber daran habe ich gar kein Interesse, weil ich es schon gut finde, dass mein Text in einer professionellen Umgebung recherchiebar ist. Soll ich das also genehmigen? Ja, vielleicht.

Aber ich selbst will das Recht zu behalten, meinen Text im Sinne eines gratis Open Access online zu stellen. Sollte ich also den Verlag kontaktieren, die Sache legalisieren und die Open Access Option für mich absichern?

Interessant ist ein Blick auf die Homepage von Böhlau. Dort präsentiert der Verlag seine AGB für die Autorenverträge. Wenn man sich die AGB durchliest, dann klingt das ja gar nicht schlecht. Böhlau darf den Text online vertreiben. Ich selbst kann als Autor nach einem Jahr den Text anderweitig publizieren, auch ins Netz stellen und dabei sogar das Original-Layout des Verlages verwenden.

Vom Ergebnis her ist alles prima. Das ist aus Autorensicht eine durchaus vernünftige Regelung.

Aber wie sieht das rechtlich aus? Die AGB von Böhlau müssen wirksam in den Autorenvertrag einbezogen worden sein. In meinem Fall sind da doch erhebliche Zweifel angebracht. Mit dem Verlag hatte ich gar nichts zu tun, und die Herausgeber haben niemals irgenswelche Rechtefragen angesprochen. Es ging immer nur um die Publikation in einem gedruckten Buch. Um mehr nicht.

So gesehen spricht viel dafür, dass das neue Online-Angebot doch eine Raubkopie ist, wenn auch eine "gute". Im Ergebnis nämlich hätte ich mit dem Verlag keine andere Vereinbarung getroffen als die, die in den AGB vom Vorlag vorgeschlagen wird.

Was interessant ist: Böhlau vereinbart in seinen AGB etwas, was Verlagsvertreter bei der Diskussion um das neue Zweitveröffentlichungsrecht vehement bekämpft haben. Offenbar sieht Böhlau für sich und sein Geschäftsmodell in einer Zweitpublikation nach einem Jahr kein Problem. Und indem er noch die Nachnutzung des Satzspiegels gestattet - ob er das rechtlich tatsächlich verbieten könnte, sei dahingestellt - geht er über die neue Regelung in § 38 Abs. 4 UrhG noch hinaus.

Am Ende gibt es eine "gute Raubkopie", die dem Willen aller Beteiligten entspricht. Und wo kein Kläger ist, da ist bekanntlich auch kein Richter ... :)

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8. August 2014
von Skriptorium
Kommentare deaktiviert für Gute Raubkopie – schlechte Raubkopie

Gute Raubkopie – schlechte Raubkopie

2011 habe ich einen kleinen Beitrag in der Festschrift für Norbert Trippen veröffentlicht:

Eine kurze Geschichte der Ausbildung katholischer Theologen in Deutschland, in: Heinz Finger, Reimund Haas, Hermann-Josef Scheidgen (Hrsg.), Ortskirche und Weltkirche : kölnische Kirchengeschichte zwischen Mittelalter und Zweitem Vatikanum : Festgabe für Norbert Trippen zum 75. Geburtstag. - Köln [u.a.] : Böhlau, 2011 (Bonner Beiträge zur Kirchengeschichte ; 28), S. 899-913.

Wie bei Festschriften üblich, gab es keine Kommunikation zwischen den Herausgebern und den Autoren über Nutzungsrechte. Das ist auch nicht weiter notwendig, weil § 38 Abs. 1 und 2 UrhG sowie § 31 Abs. 5 UrhG hier ausreichende Regelungen enthalten. Danach haben die Herausgeber von mir als Autor für die Dauer eines Jahres ausschließliche Nutzungsrechte für die Vervielfältigung und Verbreitung erhalten. Auf dieser Grundlage konnten die Herausgeber einen Vertrag mit dem Verlag abschließen.

Was dort im Einzelnen vereinbart wurde, muss mich als Autor nicht interessieren, denn im Urheberrecht können nur solche Rechte übertragen werden, über die man tatsächlich verfügen kann: Mehr als das, was ich den Herausgebern eingeräumt habe, kann der Verlag in keinem Fall bekommen.

Mitterweile hat der Böhlau-Verlag angefangen, in Kooperation mit De Gruyter seine Titel auch im Internet öffentlich zugänglich zu machen. Das betrifft jetzt auch meinen Beitrag: http://www.degruyter.com/view/books/boehlau.9783412214128/boehlau.9783412214128.899/boehlau.9783412214128.899.xml.

Darin liegt ein Eingriff in mein Verwertungsrecht aus § 19a UrhG. Das ist nur in Ordnung, wenn der Verlag ein entsprechendes Nutzungsrecht erhalten hat. Ein solches Nutzungsrecht sehe ich erstmal nicht.

Erstes betrifft die 2010/11 erfolgte Rechteübertragung nach § 38 UrhG a.F. NUR die Printnutzung.

Zweitens war auch von den Herausgebern NIEMALS die Publikation als eBook im Internet in Aussicht gestellt worden, so dass auch nach § 31 Abs. 5 UrhG nicht vermutet werden kann, dass diese Rechte ebenfalls eingeräumt worden sind. Selbst wenn die Herausgeber in ihrem Vertrag mit dem Verlag etwas anderes vereinbart haben, von mir als Autor hatten sie nicht in ausreichendem Maße Nutzungsrechte erhalten, um diese wirksam an den Verlag übertragen zu können.

Möglicherweise wird der Verlag sich darauf berufen, dass er umfassende Rechte an dem Sammelwerk an sich hat. Mag sein. Aber es gehört zum ganz kleinen Grundwissen im Urheberrecht, dass man zwischen den Rechten am Sammelwerken und den Rechten an den Bestandteilen der Sammlung sauber trennen muss: vgl. Dreier/Schulze, UrhR, § 4, Rn. 4.

Diese Trennung betrifft auch die Übertragung der Nutzungsrechte an Dritte, die der Urheber des Sammelwerkes ausnahmsweise ohne weitere Rücksprache vornehmen darf, vgl. Dreier/Schulze, UrhG, § 34, Rn. 26: "Die Zustimmung der Urheber der gesammelten Werke wird nur hinsichtlich desjenigen Nutzungsrechts ersetzt, welches sie dem Urheber des Sammelwerkes zuvor bereits eingeräumt hatten. Waren dem Herausgeber ... Druckrechte an einem Beitrag eingeräumt worden [so war es ja hier! , Anm. ES], kann er ohne gesonderte Zustimmung der Beitragsverfasser keine Online-Nutzungsrechte vergeben."

Man kann es drehen und wenden, wie man will: Der Verlag hat da wohl eine Raubkopie ins Netz gestellt!

Und jetzt? Im Grunde habe ich ja nichts dagegen, wenn mein Text gut sichtbar ist. Aber dass der Verlag jetzt auch noch 30€ für den Aufsatz vom zahlenden Leser haben möchte? Das wäre ja fast schon Piraterie.

Man stelle ich nur einmal den umgekehrten Fall vor, dass der Autor vertragswidrig Inhalte in Netz gestellt hätte ...

Als Autor bin ich zunächst einmal sauer. Doch was soll ich machen? Ich könnte den Verlag auf Unterlassung in Anspruch nehmen. Aber daran habe ich gar kein Interesse, weil ich es schon gut finde, dass mein Text in einer professionellen Umgebung recherchiebar ist. Soll ich das also genehmigen? Ja, vielleicht.

Aber ich selbst will das Recht zu behalten, meinen Text im Sinne eines gratis Open Access online zu stellen. Sollte ich also den Verlag kontaktieren, die Sache legalisieren und die Open Access Option für mich absichern?

Interessant ist ein Blick auf die Homepage von Böhlau. Dort präsentiert der Verlag seine AGB für die Autorenverträge. Wenn man sich die AGB durchliest, dann klingt das ja gar nicht schlecht. Böhlau darf den Text online vertreiben. Ich selbst kann als Autor nach einem Jahr den Text anderweitig publizieren, auch ins Netz stellen und dabei sogar das Original-Layout des Verlages verwenden.

Vom Ergebnis her ist alles prima. Das ist aus Autorensicht eine durchaus vernünftige Regelung.

Aber wie sieht das rechtlich aus? Die AGB von Böhlau müssen wirksam in den Autorenvertrag einbezogen worden sein. In meinem Fall sind da doch erhebliche Zweifel angebracht. Mit dem Verlag hatte ich gar nichts zu tun, und die Herausgeber haben niemals irgenswelche Rechtefragen angesprochen. Es ging immer nur um die Publikation in einem gedruckten Buch. Um mehr nicht.

So gesehen spricht viel dafür, dass das neue Online-Angebot doch eine Raubkopie ist, wenn auch eine "gute". Im Ergebnis nämlich hätte ich mit dem Verlag keine andere Vereinbarung getroffen als die, die in den AGB vom Vorlag vorgeschlagen wird.

Was interessant ist: Böhlau vereinbart in seinen AGB etwas, was Verlagsvertreter bei der Diskussion um das neue Zweitveröffentlichungsrecht vehement bekämpft haben. Offenbar sieht Böhlau für sich und sein Geschäftsmodell in einer Zweitpublikation nach einem Jahr kein Problem. Und indem er noch die Nachnutzung des Satzspiegels gestattet - ob er das rechtlich tatsächlich verbieten könnte, sei dahingestellt - geht er über die neue Regelung in § 38 Abs. 4 UrhG noch hinaus.

Am Ende gibt es eine "gute Raubkopie", die dem Willen aller Beteiligten entspricht. Und wo kein Kläger ist, da ist bekanntlich auch kein Richter ... :)

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