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15. Mai 2012
von Patrick Lürwer
Kommentare deaktiviert für Kurzer, ernüchternder Rückblick auf meine FaMI-Ausblidung – eine Ergänzung zu Martin Maximilian Lowischs Replik

Kurzer, ernüchternder Rückblick auf meine FaMI-Ausblidung – eine Ergänzung zu Martin Maximilian Lowischs Replik

Betreffend:
Lowisch, Martin Maximilian: Den Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben : Exklusion -  eine Replik auf Karin Holste-Flinspachs Gedanken zur aktuellen Fortbildungssituation der FaMIs in: BuB 64 (2012) Nr. 5 S. 336-339
Martin Maximilian Lowisch hat in der aktuellen BuB eine sehr interessante Antwort auf Karin Holste-Flinspachs Artikel ["Trends zu speziellen Angeboten für FaMIs" in: BuB 64 (2012) Nr. 2 S. 114-115] verfasst, die ich an dieser Stelle gerne durch ein paar eigene Erfahrungen, die ich als FaMI machen konnte, untermauern möchte.

Lowisch gibt darin zu bedenken, dass die Einrichtung des speziell für FaMIs geschaffenen FaMI-Tages diesen gerade nicht zugute kommt, sondern vielmehr zu ihrer Exklusion aus dem gesamt-bibliothekarischen Diskurs führt. Dafür nennt er folgenden Gründe:
  • Der FaMI-Tag sei eine Art Alibiveranstaltung, da er durch seine regionale und zeitliche Begrenzung sowie durch sein nur zweijähliches Stattfinden dem Arbeitgeber zum einen Kosten erspart und zum anderen dadurch vor allem einen Grund liefert, weitere Anträge auf den Besuch bspw. des Bibliothekartags abzuweisen, da bereits eine Fortbildungsveranstaltung besucht worden sei. Hieraus resultiere die Exklusion der FaMIs.
  • FaMI-Tage würden von Bibliothekaren organisiert und stellten damit keine exklusive Veranstaltung von FaMIs mit Themen für FaMIs dar. Vielmehr werde der FaMI-Tag "zu einem Programm gemacht, dessen Inhalt BibliothekarInnen als am sinnvollsten ansehen". Die von Holste-Flinspach bennante "Exklusivität" sei dadurch nicht mehr gegeben.
  • Die thematische Auswahl der Vorträge müsse auch auf theoretische Themen (Lowisch nennt hier bspw. Bibliotheksethik, Digitalisierung und Bibliothekspolitik) ausgeweitet werden. Gerade da FaMIs in der Regel an vorderster "Front" beschäftigt seien und im regen Kontakt zu den Bibliotheksnutzern stünden, sei es wichtig, dass sie Einblicke in diese theoretischen Auseinandersetzungen erhielten, um bei ihnen kompetent mitreden und sie kommunizieren zu können.
In seiner Argumentation kann ich Lowisch zustimmten. Aber auf diesen Sachverhalt möchte ich gar nicht direkt eingehen. Stattdessen möchte ich ein anderes Problem anhand meiner eigenen Erfahrung schildern, dass Lowisch kurz anspricht. Und zwar geht es darum, dass mir seit dem Beginn meines Studiums aufgefallen ist, dass die Vermittlung von Partizipationsmöglichkeiten für FaMIs am bibliothekarischen Diskurs zu wenig kommuniziert wird; bzw. ihre Wichtigkeit gar nicht genug herausgestellt wird. Lowisch schreibt dazu
Hierbei darf jedoch eines nicht vergessen werden: Angehörige des mittleren Dienstes sind in ihrer beruflichen Umwelt oftmals weder, was ihre Handlungsfreiheit angeht, souverän genug wie der gehobene und höhere Dienst noch informiert genug, um sich auf Grundlage eigener Überlegungen und Überzeugungen für oder gegen Fortbildungsveranstaltungen zu entscheiden [Hervorhebung durch mich]. Vielmehr entscheidet der Arbeitgeber FÜR FaMIs [...]
Ich möchte hier nur insofern auf die Situation eingehen, dass der Arbeitgeber entscheidet, an welchen Fortbildungen FaMIs teilzunehmen haben, als ich bestätigen kann, dass auch in meinem Ausbildungsbetrieb die Entscheidung bei der Leitung lag und nicht von den FaMIs ausging. Vielmehr möchte ich - wie bereits geschrieben - auf den grundsätzlichen Missstand eingehen, dass bei mir schon in der Ausbildung, d.h. insbesondere in der Berufsschule, versäumt wurde, uns FaMIs auf die grundlegende Bedeutung der Fortbildung und der Vernetzung mit Kollegen hinzuweisen. Und daraus resultieren ja gerade das geringere Informiertsein und die spätere Teilnahmslosigkeit der FaMIs am beruflichen Diskurs.

Rückblickend ist mir nach vier Semester Studium der Bibliotheks- und Informationswissenschaften klar geworden, wie unzureichend wir auf das wirkliche Berufsleben und die Notwendigkeit der stetigen Fortbildung vorbereitet wurden. Hätte ich im Anschluss an meine Ausbildung kein Studium begonnen, hätte ich vermutlich das mir vermittelte Wissen als der Weisheit letzten Schluss betrachtet. Zum Bestreiten des Arbeitsalltages reichte es vollkommen aus und somit hätte sich nie die Erkenntnis durchgesetzt, dass es darüber hinaus noch wesentlich mehr zu wissen und zu kennen gibt. Womit sich auch nicht das Bedürfnis nach Fortbildungen eingestellt hätte. Bzw. das muss man ein bisschen differenzieren: Natürlich hätte es Bedarf an Fortbildungen geben, bspw. wie bei dem konkreten Fall der GND-Einführung. Aber sich darüber hinaus allgemein weiter zu bilden, um einfach auf dem Laufenden zu bleiben, diese Notwendigkeit wurde uns nicht vermittelt und wäre mir wahrscheinlich auch nicht so schnell in den Sinn gekommen. In diesem Sinne war ich auf beiden Augen blind, weil ich einfach nicht für solche Dinge sensibilisiert wurde.

In meiner zweieinhalbjährigen Ausbildung habe ich maximal fünf Artikel in der BuB gelesen, weil mir die Bedeutung dieser Zeitschrift oder ganz allgemein aller bibliothekarischen Fachzeitschriften - geschweige denn, dass ich davon irgendeine gekannt hätte - nicht klar war. Wie kann das sein? Ganz einfach: Sie waren schlichtweg nicht Bestandteil des in der Berufsschule vermittelten Stoffes! In den ersten zwei, drei Wochen meines Studiums habe ich mehr Informationsquellen kennen gelernt - uns wurden u.a. Mailinglisten, Blogs und eben Zeitschriften ans Herz gelegt -, mit denen ich mich über das Bibliothekswesen auf dem Laufenden halten kann, als in meiner gesamten Ausbildungszeit. Diese Zeit war geradezu eine Offenbarung, was alles hinter dem Begriff "Bibliothekswesen" noch wissenswertes steckt. Aufbauend auf diesen Quellen stellte sich bei mir zum ersten Mal das Verständnis ein, dass es sich beim Bibliothekswesen um einen sich ständig verändernden - und vor allem gerade im Umbruch befindlichen - Organismus handelt. Mit dem statischen Wissen das mir in der Berufsschule vermittelt wurde und ohne den Hinweis darauf, wie wichtig es gerade jetzt ist up-to-date zu sein, wäre ich innerhalb kürzester Zeit von den momentanen Entwicklungen abgehängt worden.

Gleiches gilt auch für die Bedeutung der Verbände, die ja ein wesentliche Rolle im Anbieten von Fortbildungsmaßnahmen einnehmen. So wurden zwar der VDB, BIB, BID, etc. kurz angesprochen. Aber auf ihre Funktion für ein lebenslanges Lernen und als Mittel zur Vernetzung wurde nicht ausreichend hingewiesen; geschweige denn die Empfehlung ausgesprochen in einem solchen Mitglied zu werden.

Kurzum, im Rückblick zeigen sich in meiner Ausbildung gravierende Mängel, die einfach nicht sein dürfen. Mir ist natürlich klar, dass der in der Berufsschule behandelte Stoff nicht die Tiefe und Komplexität erreichen kann und soll, wie der im Studium. Aber zumindest der Hinweis auf die bestehenden Möglichkeiten, sich bei Interesse informieren und mit Kollegen in fachlichen Austausch treten zu können, hätte gegeben werden müssen.

Das beschriebene Problem kann natürlich nur ein Problem meiner Berufsschule oder nur mein eigenes sein. Daher würde mich sehr interessieren, wie FaMIs an anderen Berufsschulstandorten die Situation erlebt haben. Und auch auf die hoffentliche entstehende Diskussion zu Lowischs Replik bin ich sehr gespannt. Leider ist diese nur in der BuB zu lesen; zumindest konnte ich sie nirgendwo im Internet finden. Gerade bei einem solchen Thema wäre es wünschenswert gewesen allen Interessierten/Betroffenen - und nicht nur den BuB-Abonnenten, sprich zumeist den BIB-Mitgliedern - eine frei zugängliche Version zur Verfügung zu stellen.