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26. März 2012
von Patrick Lürwer
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Redesign der Bibliothekswebsite des Max-Planck-Instituts [1]

Im Rahmen meines Praxissemesters absolviere ich seit dem 01. März 2012 ein Praktikum in der Bibliothek des Max-Planck-Instituts in Stuttgart. Der Standort beherbergt die Festkörperforschung und Intelligente Systeme. Die Bibliothek dient als Präzensbibliothek für beide Institute und stellt ihre Bestände nur Mitarbeitern dieser zur Verfügung. Der Bestand umfasst zur Zeit (Stand 01.01.2012) ca. 92.000 Monographien und 179 laufend gehaltene Zeitschriften. Darüber hinaus besteht Zugang zu ca. 42.000 E-Journals, ca. 97.000 E-Books und einer großen Anzahl von Datenbanken. Die Versorgung der einzelnen Institute mit diesen elektronischen Publikationen und Publikationsdatenbanken wird weitestgehend zentral durch die Max-Planck-Digital-Library (MPDL) vorgenommen.

Die Momentan noch uneinheitlich aufgebauten Websites der beidern Institute und der Bibliothek sollen durch die Einführung des CMS Fiona der Firma Infopark eine einhetilichen Unterbau bekommen. Als Praktikumsprojekt bin ich beim Redesign der Website der Bibliothek beteiligt.


Da ein Zugriff auf das CMS zur Zeit noch nicht möglich ist - eine Schulung findet kommende Woche statt - geht es zunächst darum, sich mit dem nutzergerechten Aufbau von Websites im Allgemeine und mit der Usability von Bibliothekswebsites im Spezielle auseinander zu setzen. Eine Reihe von Aufsätzen aus bibliothekarischen Fachzeitschriften beschäftigen sich mit diesen beiden Themen (siehe Literaturverzeichnis am Ende des Posts). Zu beachten ist, dass ein Teil der Aufsätze schon älter ist (ab 2002 beginnend). Dies fällt jedoch nicht weiter ins Gewicht, da sich an den grundsätzlichen Kriterien zur Gestaltung einer Website in den vergangenen zehn Jahren wenig geändert hat und sich auch zukünftig nicht ändern wird.

Eine Umfangreiche Einführung und Hilfestellung bietet der Aufsatz "Das stiehlt meine Zeit": Über die Nutzungsqualität von Bibliothekswebsites von Ursula Schulz1. Ausgehend von einem Seminar über Web-Usability an der HAW-Hamburg gibt sie Empfehlungen für den Aufbau von Bibliothekswebsites.

1. Definition der Zielgruppe, Eigendarstellung, Kontakaufnahme


Die Bibliothek muss sich im Klaren darüber sein, welche Zielgruppe sie mit ihrem Internetauftritt ansprechen möchte. Vor allem und als erstes ist dabei zu beachten, dass eine deutliche Trennung zwischen Bibliotheksnutzern und Mitarbeitern vollzogen wird, d.h. Internetauftritt und Intranet müssen getrennt werden, um den Besucher nicht mit irrelevanten Informationen zu überfordern. Desweiteren muss innerhalb der Zielgruppe differenziert werden, welcher Teil der Website sich an wen wendet. Informatioen, die nur für einen kleinen Teil der Kundschaft relevant sind oder sich an diese wenden, sollten nicht an prominenter Stelle präsentiert werden.

Mit den folgenden Fragen lässt sich die Ausgangssituation zur Gestaltung der Website definieren:
  • Mit wem kommunizieren wir?
  • Mit welchen Anliegen werden diese Besucher unsere Website aufsuchen?
  • Wie wollen wir diesen Besuchern nützlich sein?

     
  •  Welches Vorwissen setzen wir bei diesen Besuchern voraus?

  • Durch welche für Bibliothekskunden attraktiven Angebote können wir neue Besucher auf unsere Website locken?
  • Wie können wir die Besucher unserer Website zu einer Interaktion mit uns (der Bibliothek), evtl. aber auch mit anderen Kunden (Community-Bildung) einladen? 


Um den Webauftritt für den Nutzer angenehm zu gestalten, ist weiterhin zu beachten, dass durch die verwendete Sprache keine Distanz aufgebaut wird. Das freundliche Ansprechen der Benutzer und die Vermeidung von komplexen Satzkonstruktionen sind dabei der erste Schritte; übrigens auch für wissenschaftliche Bibliotheken.

2. Dem Nutzer die Inhalte der Website ansprechend vermitteln


Besucht ein Nutzer eine Websites stellen sich ihm anfangs folgende Fragen, auf die er eine schnelle und komfortable Antwort erhalten will:
  • Wo bin ich?
  • Was kann ich hier tun?
  • Was bringt mir das?
  • Bleibe ich hier oder bekomme ich das wo anders schneller und leichter?
Schulz stellte bei ihrer Untersuchung von Websites eine Reihe von typischen Fehlern fest, die den Nutzer bei der Beantwortung dieser Fragen behinderten:
  1. Langatmige, komplizierte, unstrukturierte Texte
  2. Verwendung von bibliothekarischem Fachjargon und Abkürzungen
  3. Lange ungeordnete Listen
  4. Nichtssagende oder irreführende Linkbenennungen
  5. Für Bibliothekskunden weniger wichtige Information wird in den Vordergrund gestellt (z.B. Historisches, Selbstdarstellung), ist irrelevant (z.B. Interna, veraltete Informationen), nicht verständlich (komplizierte ‚Hilfestellungen‘, unverständliche Formulare) oder einschüchternd (z.B. Hausordnungen, ‚Entgeldregelungen‘)
Diesen Problemen stellt sie eine Liste von Regeln entgegen, die beim Schreiben für das Web zu beachten sind:
  • Gliedern und benennen Sie Ihre Links und Labels nach möglichen Besucheraktionen, z.B. „Bücher suchen – unser Katalog“ (statt „OPAC“), „Bücher finden – zu einem Thema“ (statt „Schlagwortsuche“), „Aufsätze finden“ etc.
  • Kürzen Sie Texte, die am Bildschirm zu lesen sind, um alle Details; kein Text sollte so lang sein, dass Ihre Besucher mehr als zweimal scrollen müssen.
  • Leiten Sie Ihre Seiten mit 2-3 Sätzen ein, damit Ihre Besucher entscheiden können, ob sie weiter lesen wollen.
  • Geben Sie eine Übersicht über das, was folgen wird, so dass Ihre Besucher gezielt zu der Information springen können, die sie interessiert.
  • Schreiben Sie kurz und freundlich. 
  • Geben Sie Ihrem Besucher die Möglichkeit, bei Interesse – und nur bei Interesse - zu Detailinformationen weiter zu klicken. Stellen Sie auch eine Printversion dieser Detailinformation zur Verfügung.
  • Vermeiden Sie Passivsätze und andere komplizierte Satzkonstruktionen. 
  • Strukturieren Sie Ihre Texte durch klare (nicht clevere) Überschriften, Übersichten, Listen, Tabellen, Hervorhebungen einzelner wesentlicher Wörter.
  • Überlegen Sie, ob eine Grafik oder ein Diagramm evtl. mehr Aussagekraft hat als lange Erklärungen.

    3. Navigation auf der Website

    Grundsätzlich sollte ein das Navigationssystem auf einer Website dem Nutzer folgende Fragen beantworten:
    • Wo bin ich? - auf dieser Website / im gesamten World Wide Web? 
    • Wo war ich schon / welchen Weg bin ich gekommen? 
    • Wo kann ich hingehen?
    Das Navigationssystem ist ein wesentlicher Bestandteil einer Website. Es dient dazu dem Nutzer zu zeigen, was er auf der Website erwarten und wie er sie benutzen kann. Eine gute Navigationsleiste (und wenn möglich im Zusammenspiel mit einer ebensolchen Sitemap) kann eine Suchfunktion über die Website unnötig machen. Dies ist dahingehend erstrebenswert, weil der Nutzer, um von der Suchfunktion profitieren zu können, wissen muss, wonach er überhaupt sucht, ob das Gesuchte auf der Seite zu finden ist und wie das Gesuchte auf der Seite heißt. Allgemeine Begriffe, die häufig auf einer Website vorkommen, führen außerdem zu einer unüberschaubaren Menge an Treffern, die keinerlei Hilfe mehr darstellen, um das gewünschte Ziel zu erreichen. Eine klare Navigationsstruktur tritt diesen Problemen entgegen, nimmt den Nutzer (beg)leitend an die Hand und zeigt ihm, dass sich die Macher der Website selbst im Klaren darüber sind, wie die Site aufgebaut ist und was sich auf ihr befindet.

    Nachfolgende Emfehlungen sollten bei der Erstellung einer klaren und verständlichen Navigationsstruktur berücksichtigt werden:
    • Überprüfen Sie Ihre Website daraufhin, ob Ihre Kunden sich die oben aufgeführten Orientierungsfragen auf jeder Seite beantworten können.
    • Verzichten Sie auf eine Suchfunktion zugunsten eines gepflegten Index und einer übersichtlichen Sitemap, über die alle Teile Ihrer Website direkt angesteuert werden können.
    • Verzichten Sie auf eine tiefe Navigationsstruktur zugunsten flacher Hierarchien (möglichst nicht mehr als 3 Stufen). Führen Sie mit den einzelnen Menüpunkten Punkte der untergeordneten Ebenen auf, so dass Ihr Besucher gleich erkennen kann, unter welchem Menüpunkt sich sein Thema verbirgt.
    • Beschriften Sie Eingabefelder von Suchfunktionen – z.B. „Suchen auf dieser Website“, „Suchen in unserem Katalog“.
    • Sorgen Sie dafür, dass Links zu externen Sites ein neues, minimiertes Fenster öffnen. Verdeckt das neue Fenster das alte vollständig, merken Ihre Besucher nicht, dass sich ein neues Fenster geöffnet hat und verstehen nicht, warum der ‚Back-Button‘ ihres Browsers nicht funktioniert.
    • Sorgen Sie dafür, dass sich auf jede Seite Ihrer Website auf einfache Weise ein Bookmark legen lässt, indem Sie z.B. für Ihre Navigationsleisten Tabellen anstelle von Frames verwenden.
    • Achten Sie darauf, dass jeder Link zu einer Seite führt, deren Titel genauso benannt ist wie der Link.

      4. Layout


      Die folgenden Punkte sollten mittlerweile bei der Erstellung von Website als Standards etabliert sein. Surft man jedoch ein bisschen abseits der professionell erstellten Websites stolpert man immer wieder über Missachtungen dieser einfachen Regeln.
      • Platzieren Sie den Homebutton (bzw. der Linke zur Homepage) oben links in Form eines Logos der Institution plaziert werden
      • Kennzeichnen Sie Links als blau unterstrichene Textteile. Besuchte Links sollten ihre Farbe (am Beesten zu lila) ändern. Das zeigt, den Nutzern auf einfache Weise, wo sie bereits auf Ihrer Website waren.
      • Gestalten Sie Links so, dass deutlich wird, was geschieht, wenn Ihre Besucher sie anklicken. Öffnen Sie externe Websites in einem neuen, minimierten Fenster.
      In Bezug auf die Verwendung von Link-Grafiken/Icons ist zu beachten:
      • Gehen Sie davon aus, dass Ihre Besucher Grafiken anklicken werden, wenn sie nicht ganz offensichtlich nur ornamentale Funktion haben. Beschriften Sie Grafik-Links mit einem Text, der das Ziel knapp und verständlich benennt.
      • Verwenden Sie nur Icons, die zu Standards geworden sind (z.B. Häuschen für Startseite/Home, Briefumschlag für e-Mail).
      Hinsichtlich der Schrift gelten folgende Regeln:
      • Verwenden Sie serifenlose Schriften wie z.B. Verdana oder Arial; sie lassen sich am Bildschirm besser lesen.
      • Verwenden Sie Farben und andere Hervorhebungen sparsam; Ihre Besucher nehmen die einzelne Hervorhebung sonst nicht mehr ernst.
      • Geben Sie Schriftgrößen in % an; sehbehinderte Besucher können sie dannbei Bedarf anpassen.
      • Die Zeilen Ihrer Texte sollten nicht länger als 60 Zeichen sein; Ihr Besucher hat sonst Schwierigkeiten, den jeweils nächsten Zeilenanfang zu finden.
      • Stellen Sie Printversionen für längere Texte zur Verfügung (wenn Sie diese Texte für unentbehrlich halten).

      Ein weiterer Aufsatz zu diesem Thema ist Benno Homanns2Bibliothekarische Websites: 1. Defizite bibliothekarischer Website, der als Ergebnis eines Round Tables zu diesem Thema hervorging. Neben einigen der oben angeführten allgemeinen Tipps, gibt er noch einige spezielle zur Darbiertung der Informationen auf einer bibliohtekarischen Website.

      5. Funktion und Inhalt


      Gerade bei Linklisten gilt, dass die benutzerbezogene Auswahl und eine gute Beschreibung den Mehrwert jener erzeugen. Mit seitenlangen Listen nichtssagender Links ist dem Nutzer nicht geholfen und schreckt ihn wahrscheinlich sogar ab.
      In diesem Zusammenhang ist auch eine transparente Vermittlung der Zugänglichkeit der angebotenen Informationsressourcen von großer Bedeutung. Es erzeugt schnell Frustration beim Nutzer, wenn für ihn nicht ersichtlich ist, warum er auf eine Datenbank o.ä. nicht zugreifen kann, obwohl diese ihm doch gerade angeboten wurde.
      Wenn möglich sollte am Anschluss an die Recherche der Zugriff auf den elektronischen Volltext angeboten werden. Aber auch bei gedruckten Medien gilt es Selbstbedienungsoptionen wie das Bestellen oder Vormerken direkt über die Website zu ermöglichen.


      Die hier eingebrachten Emfehlungen und Tipps sollen mir im weiteren Verlauf meines Projekts bei der Umgestaltung der Website als Grundlage dienen. Ein weiters Tool, dass bei der Evaluation von bestehenden Websites - gerade bibliohtekarischen - behilflich sein soll, stellen Thomas Weinhold et al.3 in ihrem Aufsatz BibEval – Ein webbasierter Kriterienkatalog zur Usability-Evaluation von Bibliothekswebsites vor. Dabei handelt es sich um einen Fragenkatalog, der mittels Heuristiken mögliche Usability-Probleme aufzeigen soll. Eine Evaluation werde ich in dieser Woche damit durchführen.



      Literaturangaben


      Homann, B. (2002). Bibliothekarische Web-Sites: 1. Ergebnisse eines Round Tables. Bibliotheksdienst, 36(10), 1323-1335. Retrieved from http://bibliotheksdienst.zlb.de/2002/02_10_15.pdf

       Schulz, U. (2002). “Das stiehlt meine Zeit”: Über die Nutzungsqualität von Bibliothekswebsites. BuB, 54(4), 224-229. Retrieved from http://www.bui.haw-hamburg.de/pers/ursula.schulz/publikationen/bibliothekswebsites.pdf  

      Weinhold, T., Öttl, S., & Bekavac, B. (2011). BibEval: ein webbasierter Kriterienkatalog zur Usability-Evaluation von Bibliothekswebsites. Information - Wissenschaft & Praxis, 62(1), 11-18. Retrieved from http://www.b-i-t-online.de/pdf/iwp/IWP2011-1.pdf
       


      Weitere Quellen zu diesem Thema:

      Bekavac, B., Schneider, R., & Schweibenz, W. (Eds.). (2011). Benutzerorientierte Bibliotheken im Web: Usability-Methoden, Umsetzung und Trends (p. VI, 249). Berlin [u.a]: De Gruyter Saur.

      Eversberg, B. (2002). Bibliothekarische Web-Sites: 2. Bemerkungen zur öffentlichen Sprache der Bibliotheken. Bibliotheksdienst, 36(10), 1336-1343. Retrieved from http://bibliotheksdienst.zlb.de/2002/02_10_16.pdf

      Hamann, S., Weinhold, T., & Bekavac, B. (2011). Usability-Evaluation von Bibliothekswebsites anhand des webbasierten Kriterienkatalogs “BibEval.” Arbido, 16(3), 39-42. Retrieved from http://www.arbido.ch/userdocs/documents/Arbido_2011_3.pdf

      Hein, A. (2005). Kosten und Nutzen: Qualitätsmanagement für Websites - von früher bis heute. Information - Wissenschaft & Praxis, 56(8), 425-430. Retrieved from http://www.bit-informationsdesign.de/iwp-8-2005/IWP-8-2005-Hein.pdf

      Hutzler, E. (2002). Bibliothekarische Web-Sites: 4. Wege zu einer informativen nutzerorientierten Bibliothekswebsite. Bibliotheksdienst, 36(10), 1351-1357. Retrieved from http://bibliotheksdienst.zlb.de/2002/02_10_18.pdf

      Thissen, F. (2002). Bibliothekarische Web-Sites: 3. Designempfehlungen für bibliothekarische Web-Sites. Bibliotheksdienst, 36(10), 1344-1350. Retrieved from http://bibliotheksdienst.zlb.de/2002/02_10_17.pdf