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25. März 2009
von Skriptorium
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Verlage, Steuerberater und Open Access

Die Angst geht um bei den Verlagen. Sie fürchten sich vor Open Access. Durch das neue Leitmedium Internet haben sie das Monopol, Inhalte an ein breites Publikum zu kommunizieren, unwiederbringlich verloren. Publizieren kann heute im Prinzip jeder. Von daher ist es falsch, das Überleben der Verlage an die Herrschaft über Inhalte und die Kontrolle des Zugangs zu ihnen zu binden. Verlage werden nur überleben, wenn sie Mehrwert bieten.

Mehrwert bedeutet für den Leser etwa eine ansprechende Verkörperung der Inhalte. Ein schön gestaltetes Buch kann man nicht aus dem Internet herunterladen, man kann es nur kaufen. Es ist als solches nicht zu substituieren. Es ist ein Irrtum, zu glauben, Leser wollten nur blanken content. Leser wollen ein nutzungsfreundliches Produkt. Der Inhalt ist nur Rohstoff, Halbzeug bestenfalls.

Mehrwert bedeutet für den Leser im digitalen Bereich etwa die gut aufbereitete Datenbank, angereichert mit Erschließungsleistungen und Verknüpfungen.

Mehrwert bedeutet für Autoren, dass Verlage sich um die Gestaltung der Texte kümmern, sie begutachten, bewerben und sichtbar machen. Dafür werden Autoren auch bereit sein, zu zahlen.

Mehrwert kann im flüchtigen Medium Internet auch die stabile Verfügbarkeit von Texten bedeuten, ein für Autoren und Leser gleichermaßen wichtiger Punkt, dessen Bedeutung steigen wird. Ein Leitmedium braucht verlässliche Referenzstrukturen.

Verlage sollten sich auf ihre Kompetenzen in der Generierung dieser Mehrwerte besinnen, anstatt wie finstere Türsteher die Zugänge zu Inhalten klein halten. Nur Mehrwert hat Zukunft.

Die Steuererklärung zum Beispiel kann jeder selbst machen. Dennoch ist der Beruf des Steuerberaters nicht gerade wenig lukrativ, und viele nehmen seine Dienste in Anspruch. Sie zahlen dafür. Warum? Weil er gegenüber der selbstgefertigten Steuererklärung einen Mehrwert bietet, einen Mehrwert an Kompetenz und Bequemlichkeit. Das ist sein Wert. Und hier verdient er Geld.

Warum sollte die Zukunft des publizierenden Gewerbes nicht auch im Bereich der Mehrwerte liegen? Oder haben Verlage hier nichts zu bieten? Können sie nicht mehr, als bloß Türsteher der Wissensgesellschaft zu sein, Kopierläden mit ISB-Nummer?

Wenn dem so ist, dürfte die Rolle des Dinosauriers in der aktuellen Inszenierung der Medienevolution schon besetzt sein. Wir werden alle artig weinen.

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