Pl4net.info

Bibliothekarische Stimmen. Independent, täglich.

26. November 2011
von Patrick Lürwer
Kommentare deaktiviert für Was wurde aus dem "Webclip zu Bibliotheken" des dbv?

Was wurde aus dem "Webclip zu Bibliotheken" des dbv?

Vor etwas mehr als einem Monat hat der dbv seinen in Auftrag gegebenen "viralen" Webclip auf Youtube eingestellt [s. dazu auch BuB 2011, H. 10, S. 711-714]. Was ist eigentlich aus ihm geworden? Hat er die gewünschte Wirkung erzielt?



Wohl kaum. Denn schon kurz nach Erscheinen des Clips habe ich nichts mehr von ihm gehört und gesehen. Auch nach einer "Inkubationszeit" von einem Monat ist nichts infektiöses festzustellen. Die Zahlen sprechen für sich. Auf YouTube wurde der Clip insgesamt 7.288 mal angesehen, erhielt 40 "Gefällt mir" und nur sieben - wenn auch durchweg positive - Kommentare. Auf Vimeo sieht es nicht anders aus. Hier hätte man vielleicht noch erwarten können, dass der Clip wegen seiner künstlerischen Gestaltung auffällt, aber die Zahlen sind noch verheerender: 219 Aufrufe, 3 Likes und 0 Comments. 
Wie sieht es allgemein mit der Verbreitung im Web aus? Um dem Clip eine kleine Starthilfe zu geben, hatte ich ihn zwei Wochen nach Veröffentlichung auf Facebook geteilt mit der Bitte dies ebenfalls zu tun. Das geschah zwei Mal und der Clip wurde kein Mal geliket. Dass ich zu wenige Freunde habe oder meine Shares nicht beachtet werden, daran kann es nicht liegen. Der Clip zum neuen "Planet der Affen" erhielt bestimmt das Zehnfache an Shares, Likes und Comments (Der Clip ist ein Paradebeispiel für ein Viral.). Das Gleiche stellt sich auf Google+ dar: Einmal geteilt, ein +1 (wobei sich das +1 eigentlich auf einen anderen Clip bezieht). Und zwei der vier Personen, die die Clips geteilt haben sind selbst Bibliothekare; also nicht die Zielgruppe.
Das gleiche Bild erhält man auch, wenn man den Clip über Google sucht. Er wird nur auf Bibliotheks-/ bibliothekarischen Seiten nachgewiesen. Absolut nicht Sinn der Sache. Es sollen doch gerade neue Nutzerkreise angesprochen werden und nicht Personen, die bereits auf den Sites der Bibliotheken verkehren.

Woran könnte es also gelegen habe? Ich bin kein Experte in Sachen "Virales Marketing", aber selbst als Laie fallen mir sofort einige Gründe ein:
  • Der Clip ist zu süß/niedlich. Das ist der einhellige O-Ton, der sich aus den Kommentaren als Reaktion auf den Clip, schließen lässt. So funktioniert virales Marketing einfach nicht. Erstaunlich finde ich in diesem Zusammenhang vor allem, dass es den Initiatoren des Clips durchaus bewusst gewesen ist, dass ein Video mit dem Ziel der viralen Verbreitung anders aufgebaut werden muss, als herkömmliche. So schreibt Brigitta Wühr in ihrem Beitrag in BuB: "Dementsprechend verletzt ein "Viral" schon mal absichtlich formale und inhaltliche Konventionen, um einen höheren Aufmerksamkeitswert zu erzielen." [BuB 2011, H. 10, S. 712] Warum wurde diese Prämisse nicht umgesetzt? Wo werden in dem Clip Konventionen verletzt? Er ist so ruhig, ordentlich und vernünftig, wie man sich eine Bibliothek vorstellt. Oder stellt der Clip schon das höchste Maß an vertretbaren Konventionsverletzungen dar? Trauen sich die deutschen Bibliothekare wirklich so wenig? Dann sind uns die amerikanischen Kollegen weit voraus, wie das bereits verlinkte Video gezeigt hat. (Aber man muss dazusagen, dass auch dieses nicht bei der breiten Masse angekommen ist.)
  • Der Clip berührt mich nicht. Der Clip spricht niemanden emotional an. Man sieht ihn, sieht ein paar Buchstaben, die etwas von ihrer Funktion in der Bibliothek erzählen, findet ihn süß und das war´s. Es bleibt nichts hängen. (Im Laufe dieses Post habe ich mir den Clip mehrmals ansehen müssen, um mich überhaupt daran erinnern zu können, was darin vorkommt und worum es geht.) Aber ein virales Video sollte meiner Meinung nach hoch emotional sein. Es soll mich zum Lachen, Grübeln, Weinen bringen. Es soll provozieren, polemisch sein, Leuten auf den Schlips treten. Mich an etwas erinnern; an Gutes wie auch Schlechtes. Egal was. Aber es muss mich auf jeden Fall emotional berühren, damit es mir im Gedächtnis bleibt. Und das leistet der Clip einfach nicht. Ich sehe ihn, denke "Och, der ist ja süß/nett gemacht" und vergesse ihn. Das Todesurteil für jedes Viral.
  • Der Clip fühlt sich alleine. Ein Video allein reicht nicht. Ist die Aufmerksamkeit erst einmal geweckt, muss neues Material nachgeliefert werden. Es muss ein Spannungsbogen erzeugt werden, damit das Interesse aufrecht erhalten wird. Der Zuschauer muss gespannt sein, was noch kommt. Gerade bei diesem Clip wäre es wichtig gewesen. Wie bereits geschrieben: Er bleibt nicht im Gedächtnis haften. Variationen hätten da vielleicht helfen können. (Ich bin mir natürlich über die Hintergründe bewusst, die zu diesem Clip geführt habe: Dass es sich um einen Wettbewerb handelte, dass es ein Experiment war, dass die finanziellen Mittel begrenzt sind. Trotzdem, so ist es nun einmal.)
Dies sind die Punkte, die mir beim Angucken direkt aufgefallen sind. Kurze Zeit später bin ich auf ein Cheat Sheet zum Thema "Virales Marketing" gestoßen, das mich noch einmal darin bekräftigt hat. Dort heißt es:

  1. Stop being neutral
  2. Do something unexpected
  3. Don´t make advertisements
  4. Make sequels
  5. Allow and promote sharing
  6. Connenct with comments
  7. Never restrict access
Gerade der sechste Punkt viel mir dabei ins Auge. Denn ich konnte keinen Austausch feststellen. Der Clip wurde bei YouTube eingestellt und das war´s. Es ist gerade bei einem solchen Experiment wichtig, Feedback einzuholen. Wie ist der Clip angekommen? Was hätte besser gemacht werden können? Woran liegt es, dass er offensichtlich nicht ankommt? - Ich hoffe, dass ich mit diesem Beitrage einen kleinen Teil dazu leisten konnte. Vom dbv finde ich keine Diskussion (Auf der Website ist der Clip zwar auf der Startseite verlinkt, aber ich kann mir ihn dort nur ansehen. Es wäre doch schön gewesen hier die Möglichkeit einzuräumen eine Feedback zu geben.)
Es wird immer beklagt, dass sich Bibliotheken zu wenig nach außen präsentieren. Jetzt wird ein Versuch unternommen und dann nicht darüber gesprochen. Sehr schade. Denn meiner Meinung nach geht der Versuch in die richtige Richtung. Ttrotz all der oben genannten Kritikpunkte, finde ich allein die Idee bemerkenswert, offensiv an den (Noch-nicht-)Nutzer heranzutreten. Die Bibliotheken müssen ihre Leistungen offen kommunizieren. Und welches Medium böte sich da besser an, als jenes, mit dem sie im offenen Geltungskonflikt stehen. Es ist nun einmal so, dass das Internet in den Augen des "Normalsterblichen"/Nicht-Bibliothekars Bibliotheken überflüssig erscheinen lässt. Also muss dieses Klientel unter anderem dort abgeholt werden, wo es sich aufhält. Im Internet. 
Trotzdem - oder gerade deshalb - möchte ich an dieser Stelle nicht mit Kritik enden, sondern mit Lob an die Macher des Filmes Studio fizbin, die sich offensichtlich Gedanken gemacht habe, wie man das komplexe Thema "Bibliothek und ihre Bedeutung" kommunizieren kann. Auch wenn der Clip sein eigentliches Ziel verfehlt habe mag, ist die Leistung die dahinter steckt anzuerkennen und zu bewundern. Ich wünsche ihnen alles Gute auf ihrem weiteren Werdegang. Und möchte hoffen, dass wir in Zukunft weitere innovative Filme von ihnen im Allgemeinen und für das Bibliothekswesen im Besonderen - auch von anderen Künstlern natürlich - sehen dürfen.