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29. Oktober 2015
von Lise Rebout
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Library of Congress I

Library of Congress
World Digital Library

Die Library of Congress (LoC) begann bereits 1995 im Rahmen des National Digital Library Program (NDLP) mit dem Aufbau einer digitalen Bibliothek, die ausgewählte Sammlungen der amerikanischen Nationalbibliothek online präsentierte.

2005 entstand die Idee, dieses Angebot in Zusammenarbeit mit der UNESCO auszubauen und nicht nur das amerikanische, sondern Kulturerbe aus allen Teilen der Welt digital zusammenzustellen. Dabei wollte man jedoch nicht in Konkurrenz zur Europeana treten, betont Jason Yasner, Operations Manager der World Digital Library. Erklärtes Ziel ist es, Lücken vor allem im Bereich der Menschheitsgeschichte zu schließen und ein besseres Verständnis verschiedener Kulturen und Länder untereinander zu schaffen. Aus jedem Land soll mindestens eine Kultureinrichtung an dem Projekt teilnehmen und seltene wie einzigartige Dokumente beitragen.

Das jährliche Budget der WDL beträgt rund 3 Millionen US-Dollar und wird zum größten Teil von der Carnegie Corporation of New York, der Qatar National Library der Qatar Foundation und vom James Madison Council der Library of Congress bereitgestellt. Zu den Anschubfinanzierern gehörten u.a. Google, Microsoft und die King Abdullah University of Science and Technology in Saudi Arabien.

Seit 2009 ist die World Digital Library (WDL) online, 185 Partner aus 81 Ländern, hauptsächlich Bibliotheken, Museen und Archive von nationalem Rang, aber auch kleinere Einrichtungen mit bedeutenden Beständen für bestimmte Regionen und Kulturen, sind bislang beteiligt. Sie steuerten rund 12.000 Werke mit ca. 600.000 digitalisierten Seiten in über 100 Sprachen bei.

In der Regel digitalisieren die Partnereinrichtungen auf eigene Kosten und in eigener Verantwortung unter Berücksichtigung der gemeinsamen Richtlinien. Der Fokus liegt dabei auf der Qualität, nicht der Quantität der Digitalisate.
Das Projekt bietet aber auch Schulungen und Workshops zu Best-Practice-Lösungen und Online-Tools an, falls das nötige Know-How in einer (potentiellen) Partnereinrichtung fehlt.
So hat die WDL u.a. die Nationalbibliotheken Ägyptens, Ugandas und des Iraks mit Digitalisierungshardware und -software und durch Schulungen unterstützt. Diese Digitalisierungszentren sind mittlerweile selbsttragend, ihre gefährdeten Bestände weltweit über die WDL zugänglich. Auf diese Weise soll dazu beigetragen werden, die globale „digitale Kluft“ zu überbrücken.

Neben Rara, Handschriften, Karten und Atlanten, Drucken und Fotografien sind auch historische Filme und Tonaufnahmen Bestandteil der WDL. Darunter befinden sich beispielsweise der Fluch der Artemisia, eines der ältesten überlieferten griechischen Dokumente auf Papyrus aus dem vierten Jahrhundert v. Chr., Codices der Aztheken und Maya, eine Gutenberg-Bibel (ca. 1455), Autographen von Mozarts Zauberflöte und Bachs h-Moll-Messe sowie eine Tonaufnahme der Marseillaise von 1898.

Der Einstieg ist über eine Volltextsuche oder Browsing nach Ort, Zeit, Thema, Materialart, Sprache oder Institution möglich. Weiterhin werden interaktive Karten, die die Herkunft der Materialien abbilden, und eine Übersicht der zuletzt eingestellten Werke angeboten.

Jedes Werk wird mit konsistenten, kontrollierten Metadaten versehen (Ort, Zeitraum, Erstellungsdatum, Typ, Thema, liefernde Institution und Sprache). Außerdem verfassen Wissenschaftler Werkbeschreibungen, allerdings nicht im Fachjargon, sondern einfach und ungeschnörkelt, um komplexe Zusammenhänge auch für fachfremde Nutzer oder beispielsweise Schüler zugänglich zu machen.
Die Digitalisate sind urheberrechtsfrei und unter Public Domain Mark veröffentlicht, also für jedermann nachnutzbar. Download ist in Form von PNG- oder PDF-Dateien möglich. Das Layout ist auch für mobile Endgeräte optimiert.

Eine Besonderheit ist die Multilingualität der WDL. Es gibt sieben komplette Versionen des Portals: in arabisch, chinesisch, englisch, französisch, portugiesisch, spanisch und russisch. Dies bezieht sich nicht nur auf die Navigation wie man es von vielen Internetangeboten kennt, daneben werden auch alle Metadaten und bibliografischen Beschreibungen übersetzt sowie in eine text-to-voice Hörfassung übertragen, sodass man sich die Beschreibungen und Metadaten in jeder der verfügbaren sieben Plattform-Sprachen vorlesen lassen kann. Somit sind die Inhalte auch eine Quelle für den Sprachenunterricht oder das Selbststudium.

Nutzungsstatistiken belegen, dass 2014 überraschenderweise die meistgenutzte Sprache des Portals, 36% aller aufgerufenen Seiten, Spanisch war und erst auf Rang zwei mit 29% Englisch folgte. Nach den USA, aus denen die meisten Zugriffe (13%) auf die WDL erfolgten, liegen Brasilien (11%), Spanien (9%), Mexiko (7%), gefolgt von Großbritannien mit 5% der Zugriffe.

Beeindruckt hat mich, dass dieses umfassende Angebot in der LoC von einem Team mit nicht mehr als 9 Mitarbeitern erstellt wird. In der Anfangszeit waren maximal bis zu 12 Mitarbeiter beteiligt, bestimmte Aufgaben wie Übersetzungen oder die text-to-voice-Fassungen werden an Dienstleister ausgelagert.

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