Die Feieranlässe häufen sich bei mir diesen Monat: Erst konnten wir die neue Website der Stabi fertigstellen, dann die beluga-Betaversion herausbringen und heute nun, wie zur Belohnung für all das, als persönliches Highlight noch die Ernennung zur Bibliotheksrätin. Ein passender Soundtrack zum letztgenannten Anlass wäre „(She’s Got A) Ticket To Ride“ , denn ohne Ernennungsurkunde auch kein neuer Job in Lüneburg, aber das nur am Rande – eigentliches Thema aus diesem Anlass: Wie ist es eigentlich um die Aufstiegsmöglichkeiten von Diplom-BibliothekarInnen mit Master-Abschluss bestellt?
Als ich 2005 das Fernstudium zum Master of Library and Information Science am IBI der HU Berlin begann, habe ich gleich am Anfang und auch danach noch ziemlich oft ganz schön geschluckt: Dass das kosten- und zeitaufwändige Unterfangen für Diplom-BibliothekarInnen einen Mehrwert im Sinne von Karrieresprüngen habe, wurde dort immer wieder bestritten. Ich habe mehr als einmal überlegt, das Ganze wieder hinzuwerfen und mich in mein Dipl.-Bibl.-Schicksal – Ende der Ausbaustrecke bei A 12 – zu begeben. Was mich neben den Berlin-Wochenenden an sich und der Gesellschaft dort zum Durchhalten bewegt hat war der Glaube daran, dass die Existenz der neuen Bachelor- und Master-Abschlüsse eine Renovierung der Laufbahnverordnungen bzw. der entsprechenden Richtlinien im Angestellten-Bereich erzwingen und sich dadurch eine gewisse Durchlässigkeit ergeben würde. Dieser Glaube wurde belohnt: In der Freien und Hansestadt Hamburg (und auch in Niedersachsen) kann jemand mit meiner Biographie seit 2010 Bibliotheksrätin werden – also in den höheren Dienst gelangen. In anderen Bundesländern wird das möglicherweise ähnlich sein, das also ist eine gute Nachricht für Leute mit Diplom- oder Bachelor-Abschluss von Fachhochschulen und Aspirationen auf einen Master plus anschließender Karriere in Form eines Wechsels vom gehobenen in den höheren Dienst.
Aber dazu gleich mehrere Einwürfe:
- Stellen im höheren Bibliotheksdienst sind in der überwältigen Anzahl Fachreferats-Stellen, erfordern also ein grundständiges Studium eines jener Fächer, die an Universitäten gelehrt werden. Nur ein sehr kleiner Teil der Stellen im höheren Dienst sind losgelöst vom Fachreferat und dann in aller Regel Projektstellen, sprich: befristet. Nur ganz langsam werden auch Positionen im höheren Bibliotheksdienst eingerichtet, denen kein Fachreferat zugeordnet ist – kürzlich sah ich eine in Würzburg, Arbeitsschwerpunkt: Informationskompetenz. Aber das ist eher die Ausnahme als die Regel. Ob das so sinnvoll ist, steht auf einem anderen Blatt, Fakt ist: Bei diesen Stellen wird es um Mitarbeit in bzw. Management von (Drittmittel-/IT-) Projekten und „neuen“ Themen wie Informationskompetenz, Open Access etc. gehen. Wer sich in diesen Bereichen als Dipl.-Bibl. nicht sieht, braucht auch mit dem Master-Studium nicht anzufangen (es sein denn als Liebhaberei). Und sollte überhaupt auch noch mal überlegen, ob ein zweiter bibliothekarischer Abschluss wirklich sinnvoller ist als beispielsweise ein Master in einem anderen Fach, also zum Beispiel ein Master of Higher Education, ein Master of Science Communications and Marketing oder eben eine andere Master-Blume aus dem bunten Strauß an Angeboten aus den Wirtschaftswissenschaften und der Informatik.
- Ist man, wie in meinem Fall, verbeamtet, so genügt der bloße Master-Abschluss noch nicht für eine Ernennung im höheren Dienst. Nach dem Abschluss muss man drei Jahre lang auf einer entsprechenden Stelle tätig gewesen sein. In meinem Fall war es erfolgsentscheidend, dass ich direkt im Anschluss an mein Studium die Leitung des beluga-Projektes übernommen hatte. Ich saß auf einer A 10-Stelle und habe drei Jahre lang eine Zulage nach A 13 erhalten dafür, dass ich ein relativ großes Projekt geleitet und die Personalverantwortung für das Entwickler-Team übernommen hatte. Immerhin hatte ich also das Geld (allerdings ohne Pensionsanspruch), aber nicht den Titel und eben auch keine Stelle. Und jenseits dessen: Die Gelegenheiten dafür, auf diese Weise (Führungs-) Verantwortung zu übernehmen und die nötigen Erfahrungen auf einer höheren Position zu sammeln dürften eher rar sein.
- Im Angestelltenverhältnis ist es theoretisch schon länger möglich, mit dem Master auf eine E 13-Stelle zu kommen. Mir ist allerdings nur ein einziger Fall bekannt, in dem eine vormalige Diplom-Bibliothekarin nach Beendigung des Berliner Fernstudiums eine E 13-Position erlangt hat. Dass diese Position in einer öffentlichen Bibliothek angesiedelt ist, spricht für sich: In wissenschaftlichen Bibliotheken, wo es unbestreitbar mehr freie Stellen in der entsprechenden Dotierung gibt, werden sich die Leitungen auch weiterhin lieber für vollakademisch ausgebildete KollegInnen entscheiden – die kann man im Zweifelsfall dann ja eben auch noch ein Fachreferat führen lassen und man hat bei der Einstellung vermutlich auch weniger Ärger, da die diversen Verwaltungen einfach (noch) nicht an Leute mit FH-Abschluss und postgradualem Master gewöhnt sind.
Mein persönliches Fazit: Menschen mit Diplom- oder Master-Abschluss von den bibliothekarischen Ausbildungsstätten sollte sich klarmachen, dass der Master-Abschluss kein Selbstgänger ist für eine Karriere im höheren Dienst. Im Gegenteil: Ich befürchte sogar, dass es zu einer Art Inflation kommen könnte, weil Stellen des gehobenen Dienstes mit Master-AbsolventInnen besetzt werden. Da Beamtenstellen immer seltener werden, wird es sich dabei um Angestellten-Stellen handeln, und wenn man etwas anderes als E 9 haben will, muss man schon eine sehr tolle Stellenbeschreibung und eine entsprechend geschmeidige Verwaltung haben – plus, und das ist ganz wichtig: Berufserfahrung. Vor diesem Hintergrund würde ich den so genannten konsekutiven Master-Studiengängen (also denen, die sich direkt an ein Bachelor-Studium anschließen) jeglichen Sinn absprechen – zumindest dann, wenn man glaubt, man würde danach ohne Berufserfahrung mehr zu bekommen als die klassischen Einstiegsgehälter des gehobenen Dienstes.
Deswegen würde ich den AbsolventInnen der Bachelor-Studiengänge raten, nach dem Abschluss erstmal zwei-fünf Jahre Berufserfahrung zu sammeln und erst dann einen Master zu machen. Und dabei dann auch schon eine Vorstellung von den gewünschten Schwerpunkten zu haben und auf solche Stellen gezielt hinzuarbeiten – durch Projekte, Engagement in der Community, Präsentationen, Publikationen etc. Das schafft Alleinstellungsmerkmale in dem nicht gerade kleinen Pool von BewerberInnen um Stellen des höheren Dienstes, macht aber viel Arbeit und ist letzten Endes auch keine Garantie für Karrieresprünge. Die gibt es auf diesem Weg trotz aller neuen Verordnungen nicht, stattdessen ist eine sorgfältige Mischung aus Idealismus, Inspiration und Langmut gefragt. Und natürlich gehört auch ein wenig Glück dazu: In meinem Fall hatte das die Form meines Chefs und meiner Direktorin, die mir viel Gestaltungs- und Entfaltungsspielraum gegeben und mich immer wieder ermuntert haben, trotz der fehlenden Happy-End-Garantie weiterzumachen. Danke, Jürgen Christof und Frau Beger!
Eine generelle Bemerkung zum Schluss: In anderen Branchen des öffentlichen Dienstes, zum Beispiel bei der Polizei, ist ein Laufbahnwechsel weitaus besser geregelt als im Bibliothekswesen. Liegt es mal wieder daran, dass wir in einem Frauenberuf arbeiten, dass es solche Aufstiegsmöglichkeiten nicht gibt? Oder dass man sich im Bibliothekswesen eine separate Auslegung des Tarifrechts leistet, die im Moment dazu führt, dass man im gehobenen Dienst im Grunde gar nichts anderes vergeben kann als E 9?