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Standortbestimmung: Mein Traum von Bibliothek

Neben den üblichen Gründen, die einen zum Halten von Vorträgen bewegen, bietet sich mit solchen Auftritten immer auch die Gelegenheit zu einer eigenen Standortbestimmung.  Als solche habe ich die Einladung in die Reihe  “Mein Traum von Bibliothek” der UB Leipzig (lesenswerter Artikel dazu von Charlotte Bauer und Ulrich Johannes Schneider) begriffen, als sie vor einigen Monaten auf meinem Schreibtisch landete. Natürlich treiben einen auch zwiespältige Motive wie Sendungsbewusstsein und Reputationssteigerung zum Vortragen, aber bei dieser Einladung sprach ich zu mir: Na, mal sehen, was du dann so zu sagen hast nach den sechs Monaten im neuen Job.

Nun ist der Vortrag fertig, und was ich mir in meinen kühnen Phantasien vorgestellt habe wie eine Art neues Album nach gefühlten 100 Konzerten zum Thema Katalog 2.0 hört sich ein wenig an wie die alte Leier, um es mal in strenger Plattenkritiker-Manier zu sagen. Aber andererseits liegt mir das Thema “Discovery” (oder Suchen und Finden, wie ich es lieber nenne) zu sehr am Herzen, um nicht doch noch mal ein paar Takte dazu zu sagen.

Aber – TouchPoint hin oder her – die neuen Kataloge sind nur noch eines von ganz vielen Themen auf meinem Schreibtisch und in meinem Kopf. Viele davon sind sehr basal: Über die Ausgabe von Notebook-Schlössern habe ich schon an anderer Stelle gesprochen – aber als Benutzungsleiterin bin ich darüber hinaus auch damit beschäftigt, mir eine Haltung zu Gnadengesuchen bei horrenden Mahngebühren zuzulegen oder pfiffige Lösungen zur Vermeidung von dauerbelegten Schließfächern zu finden. Viele von meinen Aufgaben haben damit zu tun, für die Einhaltung von Regeln zu sorgen. Wenn man dabei nicht engstirnig sein will, sondern darum bemüht, Besuch und Benutzung von Bibliotheken einfach und vielleicht sogar sympathisch zu machen, hat man viel zu Überlegen: Unterschiedliche Interessen wollen abgewogen sein und man kann auch schlecht die Entscheidung darüber, ob man ein Buch aus der Teilbibliothek am Sonnabend doch ausnahmsweise und entgegen der üblichen Verfahrensweise verlängert, zu einer persönlichen Ermessenssache der einzelnen Mitglieder des Ausleihteams erklären (die dann nämlich überlegen müssen: Haben sie Zeit für den Thekenwechsel im System? Fühlen sie sich sicher dabei, dass hinzukriegen? Und sind sie dann fair gegenüber den anderen im Team, die am nächsten Sonntag dann vielleicht vorgehalten bekommen, dass der andere Kollege das letztens aber gemacht hat).

Wie auch immer:  Neben der Regelüberwachung habe ich natürlich auch anderes zu tun, und viel davon hängt mit dem Thema Beratung zusammen – worunter ich jetzt Auskunft, Informationskompetenz-Vermittlung  auch ein bisschen die Katalogentwicklung zusammenfasse. Auf dem diesjährigen BibliothekarInnen-Tag hat Prof. Ingeborg Simon aus Stuttgart ein paar Zahlen präsentiert, die zeigen, dass man die Auskunftstheke entweder abbauen mit studentischen Hilfskräften besetzen oder aber vernünftig vermarkten sollte. Seither zähle ich mal wieder Zahl und Art der Auskunftsfragen, freue mich an der exzellenten Nutzung von Services wie Notebook-Schlössern und Gruppenarbeitsräumen und suche ansonsten emsig in jeder Interaktion den “Teachable Moment”, bei dem ich der geneigten Kundschaft vielleicht noch ein wenig Wissen über reflektierte Informationssuche mitgeben kann. Und ich merke, wie wichtig das Persönliche ist: Viele Studierende der Leuphana kenne ich schon, nicht immer namentlich, aber durch die Beratung in der Bibliothek – und ich merke, wie viel Potenzial darin liegt, eine Bindung aufzubauen.  Und das macht mich ein ums andere Mal wieder froh darüber, an einer überschaubaren Universität zu arbeiten, wo persönlicher und individueller Service machbar ist.

Und schließlich beschäftigen mich auch Fragen der Organisations- und Personalentwicklung: Welche Konsequenzen hat die Einführung von RFID oder die der Besetzung der Theke mit einem Wachdienst? Welches Forum gibt es für Ideen aus meinem Team zur Verbesserung von Service- und Arbeitsqualität? Wie können wir die Beratungsangebote von Rechenzentrum und Bibliothek mit einander vernetzen? Und vor allem: Wie balanciere ich mein Bedürfnis danach, Ideen und Pläne offen, früh und deswegen auch gerne mal unreif zu kommunzieren, und die Notwendigkeit, mich und die anderen Kollegen im Führungsteam damit nicht unter Druck zu setzen? Auf diesen Teil meines immer noch neuen Jobs habe ich mich am meisten gefreut, und in diesem Bereich lerne ich am meisten dazu.

Dazu gelernt habe ich auch bei der Vorbereitung der Präsentation für Leipzig. So lange schon wollte ich Prezi ausprobieren – langweilt euch nicht PowerPoint auch endlos? – und die vielen Zugfahrten haben mir endlich Gelegenheit dazu gegeben. Mein “Traum von Bibliothek” manifestiert sich also in einer neuen (für mich) neuen Darreichungsform und kommt etwas seifenblasig daher- aber das ist vielleicht gar nicht unpassend. Außerdem hatte ich Spaß beim Basteln und habe wieder mal gemerkt, wie toll es ist, sich die Zeit und die Traute für was Neues zu nehmen.



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