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Katalog 2.0 zu Ende denken

Kürzlich habe ich auf Twitter folgende Frage gestellt:

„Wurde in irgendeinem der Katalog-2.0-Projekte eine kritische Masse von Mehrwert generierenden Nutzern erreicht?“

Leider habe ich – obwohl die Frage auch von anderen weiterverbeitet wurde – keine Antwort darauf bekommen. Vielleicht haben diejenigen, die eine Antwort geben könnten, den Tweet einfach nicht gesehen…

Konkret geht es mir bei der Frage um Katalogerweiterungen, die es den Nutzern ermöglichen, selber Daten und Verknüpfungen zu generieren: Tags, Literaturlisten, Bewertungen, Rezensionen. All diese „Web-2.0-Funktionen“ ergeben oft erst wirklich Sinn, wenn ein größerer Teil der Nutzer das Angebot annimmt und die Funktionen nutzt. In der Vergangenheit habe ich bei meiner persönlichen Nutzung eines Katalog 2.0 – in meinem Fall war dies der KUG – nicht das Gefühl gehabt, dass die Funktionen im nötigen Maße angenommen würden. Gerne wüsste ich, ob andere diese Erfahrungen bestätigen oder widerlegen können.

Zu wenig Nutzer?

Angenommen ich liege mit meinem Bauchgefühl richtig und die kritische Masse in Katalog-2.0-Projekten ist bis heute nirgendwo erreicht worden: Eine naheliegende Erklärung dafür ist, dass Bibliothekskataloge von weniger Personen genutzt werden als „erfolgreiche“ Web-2.0-Dienste wie flickr, delicious, YouTube etc. und dass deshalb die Schar der potentiellen Datengenerierer einfach zu klein ist, um überhaupt eine kritische Masse zu erreichen. Von 1,5 Millionen Nutzern, wie etwa LibraryThing sie hat, kann doch ein Bibliothekskatalog nur träumen. Ein Blick auf den LibraryThing-Zeitgeist zeigt, dass dort das Mitmach-Konzept aufgegangen ist. Ein anderer Grund ist sicher auch, dass Kataloge nicht als Web-2.0-Dienst aufgezogen werden, sondern entsprechende Funktionen nur ein Anhängsel sind. Eine solche Strategie kann nicht erfolgreich zu sein, denn einen erfolgreichen Web-2.0-Dienst baut man nicht nebenher auf.

Nutzergenerierte Daten teilen

Wer mir bis hierhin gefolgt ist, wird auch meine Schlussfolgerung nachvollziehen können: Wenn es nicht möglich ist, eine kritische Masse an Nutzern mit einem Bibliothekskatalog aufzubauen, dann aber viel eher mit zehn oder zwanzig Katalogen. Dafür müssten eben nutzergenerierte Daten wie Tags und Bewertungen über eine große Zahl von Katalogen geteilt werden, d.h. ergänzte etwa jemand ein Tag bei einem Titel in Katalog A, würde dieses Tag auch in Katalog B, C, D etc. angezeigt. Aber wie sollen die Daten von A nach B gelangen?

Open Data als notwendige Basis

Notwendige Voraussetzung ist, dass die Katalogbetreiber ihre Daten als Open Data publizieren, um die rechtlichen Grundlagen für die freie Nachnutzung durch andere zu schaffen. Lambert Heller hat bereits 2009 bei einem Versuch „Katalog 2.0“ zu definieren darauf hingewiesen:

„Alle Daten im Katalog sollten sich sowohl einzeln als auch in großen Mengen herauskopieren und remixen lassen — und zwar unter technisch einfachen und rechtlich transparenten Bedingungen. (Letzteres vorzugsweise durch eine CC-Zero-Lizenz).“

Schnittstellen und Services

Auch wenn die Daten frei sind, ist die technische Frage noch nicht geklärt, wie sie von A nach B kommen. Dafür braucht man die nötigen Schnittstellen und bestenfalls noch einen einzelnen Service, der die Daten aus den verschiedenen Katalogen aggregiert. So müssten die Kataloge sich nicht gegenseitig allesamt synchronisieren, sondern könnten dies über diesen Service als Mittler tun. Ich will hier nicht auf technische Details eingehen – dazu bin ich auch gar nicht der Richtige – und will nur eine kleine Grafik sprechen lassen, in der das Ganze stark vereinfacht dargestellt ist. (Die Frage nach dem Erkennen gleicher Titel über mehrere Kataloge hinweg –  ähnlich der Deduplizierung in einem Katalog – wird hier etwa gar nicht beleuchtet, sondern deren Lösung schlicht vorausgesetzt.)

Ähnliche Verfahren kann man sich auch für Schlagwörter, digitalisierte Inhaltsverzeichnisse und andere Kataloganreicherungsobjekte vorstellen. Ist so etwas mit bestehenden Systemen ohne Probleme umzusetzen? Ohne Probleme wohl nicht, weil offene, standardisierte Schnittstellen fehlen. Deshalb hoffe ich, dass eine „Neuausrichtung überregionaler Informationsservices“ (PDF) solche und ähnliche Anforderungen an eine nationale Informationsinfrastruktur berücksichtigt, damit in einer zukünftigen Infrastruktur verteilte Systeme bequem miteinander kommunizieren können.

Gab es vielleicht schon Ansätze in diese Richtung? (Ich habe mich – ehrlich gesagt – in der Vergangenheit eher oberflächlich mit dem Thema „Katalog 2.0“ auseinandergesetzt und freue mich wie immer über erkenntnisfördernde Kommentare.)

Credits: Foto von Flickr-Nutzerin Tania Liu unter einer CC-BY-ND-Lizenz veröffentlicht.