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#bkc12: Von Selbsthilfegruppen und vom Scheitern

Keine Frage: Das BibCamp hat sich im bibliothekarischen Veranstaltungszirkus etabliert. Für die meisten ist es unproblematisch, das anfangs als kritisch beäugte Format im Rahmen einer Dienstreise zu besuchen, die Fachpresse berichtet, sogar über nach dem Prinzip der Unkonferenz gestaltete Sessions des guten alten Bibliothekartages Bibliothekstages wird nachgedacht.
In Köln waren wieder viele Newbies dabei, die das erste Mal an einem BibCamp teilnahmen – #neugierig war einer der Top-Hashtages bei der anfänglichen Vorstellungsrunde, und genau deswegen war es auch nicht verwunderlich, dass es insbesondere am ersten Camping-Tag wieder mal zu zahlreichen Riesen-Sessions mit 50-60 Teilnehmenden kam, in man erst einmal zuguckt. Ich kann gut nachvollziehen, zunächst einmal in der Menge verschwinden und Tuchfühlung aufnehmen möchte, bevor man den passiven Status verlässt und mitdiskutiert oder gar eigene Sessions anbietet. Dennoch würde ich dem BibCamp wünschen, dass es rascher zu einer größeren Bandbreite an spezialisierten Sessions kommt und globale Fragestellungen wie „Bessere OPACs“ oder „Social Media in Bibliotheken“ auf kleinere Einzelthemen heruntergebrochen werden, die meinem Eindruck nach besser diskutierbar sind. Ich fand jedenfalls, dass wir bei den betreffenden Sessions am ersten Tag nicht über Allgemeinplätze und Erkenntnissen aus den letzten Jahren herausgekommen sind, aber vielleicht ist das auch mein Problem als BibCamp-Veteranin.
Bei der Sessionplanung des zweiten Tages wurden viele Themen mit dem Wort „Selbsthilfegruppe“ angekündigt – leicht abwertender Unterton inklusive. Genau das ist aber doch eine der Stärken des BibCamps: Hier kann man selbstorganisiert und mit anderen „Betroffenen“ Probleme lösen – oder wenigstens Problemlösungsstrategien entwickeln. Ich war dennoch diesmal eher zögerlich dabei, eines meiner aktuellen Probleme zur Diskussion zu bringen – zum einen, weil ich mir nicht wirklich neue Erkenntnisse erhofft habe (dass man bei der BibCamp-Community Applaus für die Abschaffung von Garderobenpflicht oder generell liberalen Umgang mit Regeln erntet, ist sowieso klar). Zum anderen aber auch, weil ich es weder leicht finde, meine Ratlosigkeit in Bezug auf die Frage „Wie überzeuge ich mein Team davon“ zuzugeben, noch bin ich sicher, dass es als angemessen angesehen wird, wenn ich solche internen Probleme in einer öffentlichen Form diskutiere. Aber da ich mich in einer anderen Session für eine bessere Streitkultur ausgesprochen habe, muss ich wohl in Kauf nehmen, wenn der offene Umgang mit solcherlei Führungsproblemen nicht goutiert wird.
Was hat es mir gebracht, mich öffentlich zu fragen, wie ich den Blick meiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf das Bibliothekspublikum verändern und eine Kultur des „Ermöglichens“ an Stelle des in erster Linie regelorientierten Umgangs mit Benutzerinnen und Benutzern wachsen zu lassen? Es wurde bestätigt, dass das strikte Abarbeiten von Benutzungsfällen gemäß Benutzungsordnung oder das Beharren auf Beschilderungen wie „Anstreichungen in Büchern sind verboten“ dem Bedürfnis nach Sicherheit im Kontakt mit dem Publikum erfüllen. Dieses Sicherheitsbedürfnis verletze ich, indem ich auffordere, Handlungsspielräume zu nutzen – also zum Beispiel beim Fehlen eines Personalausweises auch mal einen befristeten Ausweis auszustellen anstatt die Erteilung eines Ausweises ohne diese wichtige Voraussetzung pauschal zu verweigern. Da kann ich Rückendeckung versichern, so viel ich will – es gibt Menschen, denen macht so eine Vorgehensweise Bauchschmerzen, genauso wie auch das Ansinnen, die Garderobenpflicht abzuschaffen, enorme Bedenken hervorruft. Ich bin hergegangen und habe versucht, diese Bauchschmerzen zu lindern und die Bedenken zu zerstreuen. Nach der Session heute denke ich: Netter Versuch, aber mehr als solcherlei Händchenhalten brauchen meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vermutlich klare Ansagen von mir – auch dann, wenn ihnen die Ansagen nicht passen sollten.
Womit ich dann gleich beim nächsten Thema wäre, das uns auf dem BibCamp beschäftigt hat, aber nicht zur Ehre einer Session gekommen ist: Das Scheitern. Ich bin zum Beispiel in Punkto Garderobenpflicht bei dem Versuch, das komplette Team überzeugen zu wollen und auf meine Seite zu bekommen, gescheitert. Ich gebe das hier jetzt auch deswegen zu, weil ich auf dem BibCamp mit anderen Führungserfahrenen gesprochen habe, die von ähnlichem Einknicken berichten. Gute Nachrichten also für euch junge Wilde da draußen: Ich bin ziemlich sicher, dass viele Chefinnen und Chefs in die eine oder andere Richtung lenkbar sind. Und auch gute Nachrichten für alle, die über Führungsaufgaben nachdenken und diese fürchten, weil man nicht weiß, wie man es richtig macht: Das Scheitern wird unweigerlich passieren. Aber ich denke, es ist nicht das Ende der Welt – ich würde bis dahin jedenfalls noch einen Ansatz ausprobieren wollen, bei dem ich den Bedenken und Bauchschmerzen Respekt zolle und gleichzeitig meine Position nutze, um klare Vorgaben für bestimmte Handlungsweisen oder Regelungen zu machen und diese auch umzusetzen. Es hat mir auch gutgetan, in der Session wieder an das Leitmotiv des „Ausprobierens“ erinnert zu werden: Ein Argument der Garderobenpflicht-Befürworter ist zum Beispiel, dass man einmal gewährte Freiheiten nicht wieder einschränken dürfe. Wenn man aber vorher definiert, woran ein Versuch als gescheitert zu erkennen ist und dieses auch kommuniziert, würde wahrscheinlich auch die Rücknahme der Aufhebung der Garderobenpflicht möglich sein!

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