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To tab or not to tab: Eine Discovery-Gretchenfrage

Die Einführung eines Discovery-Tools stellt uns in Bibliotheken in der Regel vor die Frage, welche Daten wir eigentlich “entdecken” lassen wollen. Da wird man sehr schnell sehr gierig: Alle abonnierten Print- und E-Zeitschriften auf Artikelebene, bitte, die E-Books mit Kapitel und dann auch noch alle bibliografischen Datenbanken, wenn es geht. Dass das nicht so gut klappt, wie wir uns das wünschen, ist oft weder unsere Schuld noch die des Discovery-System-Anbieters, sondern die der Content-Anbieter, die ihre Daten – aus einer breiten Palette aus Gründen zwischen Nicht-Wissen, Unverstand und bewusstem Aussperren einiger Aggregatoren – nicht oder nicht in der wünschenswerten Erschließungstiefe bereit stellen.

Unabhängig von diesem Frust, dem man sich als auf Vollständigkeit getrimmte Bibliothekarin abholen kann, stellt sich dann noch eine ganz andere Frage, nämlich die danach, ob man die Daten aus dem Anbieter-Index und die aus der eigenen Bibliothek gemeinsam oder getrennt recherchierbar machen sollte. Viele Bibliotheken entscheiden sich für etwas, das ich jetzt  mal “getabbte” Lösung nenne: Ein Reiter mit den Lokaldaten, ein Reiter mit dem gekauften Index. Der KatalogPlus der UB Freiburg ist dafür ein Beispiel, hier wird nach “Büchern und mehr” und “Artikeln und mehr” unterschieden. Ich weiß von einigen Bibliotheken, in denen die Frage des Umgangs mit diesem Problem ausgesprochen kontrovers diskutiert wird- und in der Tat glaube ich, dass das so eine Art Gretchenfrage bei der Einführung von Discovery-Systemen ist.

Die Akzeptanz von Discovery-Systemen bei Bibliothekarinnen und Bibliothekarinnen wird unter anderem davon herausgefordert, dass die Trefferliste in Quantität und Qualität sehr viel unberechenbarer sind als beim herkömmlichen Katalog. Mit der getabbten Lösung holen wir uns etwas von der alten Welt zurück: Klassischer Katalog-Content und Zeitschriftenartikel sind für uns zwei grundverschiedene Paar Schuhe und  wurden klassischerweise über unterschiedliche Instrumente nachgewiesen. Die getabbte Lösung macht es uns einfach, unser Modell von der Suche auch auf Discovery-Systeme zu übertragen.

Bei allem Verständnis für das heimelige Wohlgefühl, das von getabbten Lösungen auszugehen scheint: Ich bin der Meinung, dass man mit getabbten Lösungen wieder in die Ära der Metasuche zurückfällt die Vorteile von Discovery-Systemen verspielt. Eine Idee von Discovery ist doch auch, dass die bibliothekarische Unterscheidung in selbständige und unselbständige Werke keine Rolle mehr spielen braucht – jedenfalls nicht am Anfang der Suche. Nachher, beim Verfeinern: Keine Frage. Aber gleich zu Beginn der Suche? Sollten wir nicht froh sein, dass wir uns den Sermon darüber, was man im Bibliothekskatalog findet und was nicht und das Zeitschriften etwas anderes sind als Zeitschriftenartikel, vielleicht künftig öfter mal einsparen können? Ist es nicht viel mehr Erleichterung als Bürde, die wir empfinnden sollten?

Discovery-Services sind Tools für NutzerInnen. Studien zu deren Informationsverhalten sowie Usability-Tests zeigen, dass NutzerInnen – vorsichtig formuliert – keine Lust haben, sich mit Publikationsformen auseinanderzusetzen. Sie wollen relevante Treffer vorn. Ob es eine Monographie, ein Buchkapitel oder ein Aufsatz ist, ist egal – entscheidend für die Auswahl ist in dem meisten Fällen ohnehin, wie bequem sich die Treffer auf dem Bildschirm anzeigen lassen. Wer versierter ist, nutzt Facetten oder muss auf den Trichter gebracht werden, dass es noch andere Tools als Discovery gibt mit oft besseren Suchmöglichkeiten.  Mein Traum von Discovery ist eigentlich, dass die Leute nach einiger zu mir kommen und sagen, dein Discovery-Dings ist ja schön und gut, aber für meine Suche nach Placebo-kontrollierten Studien über Kopfschmerztablettenkonsum bei 35-40-jährigen Frauen in republikanisch regierten US-Bundesstaaten komme ich hier nicht weiter. An der Stelle zücke ich dann diejenigen “schweren Waffen”, die wir dem Bibliothekspublikum sonst nur mühselig aufschwatzen können, also die ganzen guten und teuren bibliografischen Datenbanken, für deren Benutzung  wir mit unserem bibliothekarischen Spezialwissen (“…und hier der pfiffige Thesaurus”) trumpfen können.

Fazit: Ich bin – leidenschaftlich – gegen getabbte Lösungen. Ich verstehe aber, warum sie uns (und wer weiß, vielleicht auch unseren NutzerInnen) sympathisch sind. Und es gibt auch gute Umsetzungen – die Brown University Library zum Beispiel hat in ihrer Discovery-Lösung einen Suchschlitz, bereitet die “Bücher und mehr” und “Artikel und mehr”-Treffer aber in zwei nebeneinanderstehenen Listen ab. Es gibt sicher auch vernünftige Kompromisse. Und am Ende des Tages ist das Thema Discovery ja im Moment nichts anderes als ein Wimpernschlag in der Geschichte von Bibliothekskatalogen, und in ein paar Jahren vielleicht werden wir und unsere NutzerInnen mehr Erfahrungen damit gesammelt haben und dann schlauer sein als im Moment. Eine polemische Zusammenfassung sei aber noch gestattet:  Getabbte Lösungen sind eine Art  Methadon-Programm dafür, uns BibliothekarInnen beim Entzug vom klassischen Bibliothekskatalog zu helfen. Sie sind aber auch in hohem Maße dafür geeignet, NutzerInnen für die vielen anderen Instrumente der Recherche anzufixen.

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