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Entering the Grimm Zentrum – Bibliotheksbesuch in Berlin

The Doors of Durin, Lord of Moria. Speak, friend, and enter. Vorplatz des Grimm-Zentrums, Berlin 2014[…] ‚What does it mean by speak, friend, and enter?‘ asked Merry. ‚That is plain enough‘, said Gimli. ‚If you are a friend speak the password, and the doors will open, and you can enter.‘“

John R. R. Tolkien[1]

An verschiedensten Stellen habe ich bereits über die Schwellensituation in Bibliotheken gesprochen und geschrieben (z.B. hier: Die Bibliothek ist kein Museum. Überlegungen zur auratischen Ansteckung im Rahmen eines Besuchs in Dublin). Anfang Januar habe ich in Berlin das Jacob-und-Wilhelm-Grimm-Zentrum, die Zentralbibliothek der HU, kennen gelernt, auf die das mit den Schwellen nun so gar nicht zutrifft. Die Bibliothek ist in hervorragender Lage platziert zwischen Brandenburger Tor und Alexanderplatz. Auf dem Vorplatz der Bibliothek ist das obenstehende Bild entstanden.

Der Zugang zur Bibliothek und zu den Buchbereichen gelingt leicht. Das Gebäude mit seinem rechteckigen Grundriss erschließt sich den Besuchenden gut von außen, im Eingangsbereich finden sich bereits erste Nutzungsinformationen, Sitzgelegenheiten, Zugänge zu Schließfächern und eine Cafeteria. Betritt man die Buchbereiche, wiederholt sich die architektonische Grundstruktur: Ein mehrstöckiger rechteckiger Lesesaal, der sich nach oben hin bis zu Oberlichtern erstreckt, greift den Grundriss des Gesamtgebäudes auf. Er ist durch Glaswände und -türen von den Buchbereichen getrennt, die sich um diesen Lesesaal herum anordnen wie ein schützender Ring. Im Inneren des Gebäudes, zwischen Lesesaal und Buchbereichen, wiederholt sich die Fensterstruktur der Außenfassade und bietet so Ein- und Ausblicke. So entstehen überall im Gebäude Blickachsen, welche zu einer selbsterklärenden Gebäudestruktur beitragen. Kein Wunder also, dass ausdrücklich auf ein Orientierungssystem verzichtet wurde. [2] Es gibt kein labyrinthisches Moment, dennoch ist die Gebäudestruktur faszinierend bedingt durch den weiten Blick, welcher sich von den Buchbereichen in den Lesesaal und über diesen hinweg auf der gegenüberliegenden Gebäudeseite wieder in die Buchbereiche erstreckt.

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Außenansicht

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Innenansicht, Lesesaal

Und dennoch haben mich einige Punkte irritiert. Dazu gehört die panoptische Struktur des Lesesaales, dessen Stockwerksflächen nach oben hin zunehmen, so dass er in sich terrassiert ist. So lassen sich Personen in den unter und über dem eigenen Standort liegenden Bereichen beobachten, was vor allem dadurch gelingt, dass alle Arbeitsplätze im Lesesaal zur Mitte hin ausgerichtet sind. Das erinnert ein wenig an die Struktur in der Codrington Library des All-Souls Colleges in Oxford (ein Bild der Bibliothek ist hier zu finden). Panoptische Strukturen finden sich beispielsweise auch in der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB), jedoch sind hier die Arbeitsplätze nicht panoptisch angeordnet.[3]

Ferner ist, zunächst unerwartet, doch eine kulturelle Schichtung der NutzerInnen auszumachen. An den Arbeitsplätzen im Lesesaal ist vorgeschrieben, sich mit dem Universitätsausweis auszuweisen. Somit bildet sich, wie ich an anderer Stelle auch schon feststellen konnte, ein „Zentrum einer kulturellen Gemeinschaft“[4], sowohl materiell als auch sozial. Die Universitätszugehörigen erhalten Plätze im Kern, im Nukleus der Bibliothek, alle anderen sitzen darum herum.


[1] Tolkien, John Ronald Reuel, 2007: The Fellowship of the Ring. London: HarperCollinsPublishers. S. 367 (Hervorhebung im Original).

[2]  Vgl. Hauke, Petra und Werner, Klaus Ulrich (Hg.), 2011: Bibliotheken heute! Best Practice bei Planung, Bau und Ausstattung. Bad Honnef: Bock und Herchen Verlag. S. 151ff.

[3] Vgl. Delitz, Heike. 2006. “„Mind-Expander“ und „Bücherspeicher“. Eine Architektursoziologie des Neubaus der SLUB.” Wissenschaftliche Zeitschrift der Technischen Universität Dresden:Geschichte und Zukunft von Information und Wissen 55:228-233. S. 231.

[4] Giesen, Bernhard (1993): Die Intellektuellen und die Nation. Eine deutsche Achsenzeit, Frankfurt am Main: Suhrkamp. S. 64.

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