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16. April 2015
von deep-listening
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Auktion: Josef Mengele-Brief in Pforzheim

Zurück im Land des SS-Täters:

mit obszön "geschätzten" EUR 12.000,-- und unbedarften Worten zu Josef Mengele ("Mediziner und Anthropologe") wird in der kommenden Auktion des Pforzheimer Auktionshauses Peter Kiefer (25.4.2015) ein Privatbrief des SS-Arztes "ausgerufen":

http://www.kiefer.de/auktion_artikel_details.aspx?KatNr=4124

Unbekannt ist dieser Brief nicht: Seit 2010 stand er bereits bei vier verschiedenen Auktionen in den USA und zuletzt 2014 in Berlin zum Verkauf. Nun also 2015, am Ende einer fragwürdigen Wertsteigerungskette, wird der Brief mutmaßlich wieder in unbekanntem Privatbesitz verschwinden und nicht in einem seriösen Archiv gesichert überliefert.

Dass sowohl der anonyme Anbieter als auch das Auktionshaus Kiefer keine Skrupel haben, den Marktwert solcher NS-Devotionalien hochzutreiben und die Provisionen
einzustreichen vesteht sich von selbst. Und wieder wird an den zeitgeschichtlichen Archiven vorbei Geld mit solchen Dokumenten gemacht.

________

Offener Brief an das Auktionshaus Kiefer, Pforzheim, 16.4.2015:

Sehr geehrtes Auktionshaus Kiefer,

dass Sie mit solchen Dokumenten unbedacht und offenkundig ohne Bedenken nun auch Ihr Haus zu einem unseriösen Marktplatz des NS- Devotionalienhandels machen, ist, milde gesagt, bedauerlich; tatsächlich ist es ein Skandal.
Haben Sie übersehen oder nicht sehen wollen, dass genau dieser Brief hinsichtlich der Frage nach Mengeles handschriftlichem Nachlass und dessen Vermarktung eine lange und äußerst fragwürdige (Auktions-)Geschichte hat?

Bei folgenden Auktionen stand dieser Brief in den letzten Jahren bereits zum Verkauf:

Nate D. Sanders Auctions, Los Angeles, Auktionskatalog der Auktion vom 18. Oktober 2010, Nr. 143 und der Auktion vom 6. Februar 2013, Nr. 1108; Regency Superior Auctions, Saint Louis, Los Angeles, Auktionskatalog der Auktion vom 24. Mai 2013, Nr. 826; zuletzt Berliner Auktionshaus für Geschichte, Berlin, Auktion 95 vom 2. März 2014, Nr. 2286.

Es sind, meinen jüngsten Recherchen zufolge, die Sie offenbar im Vorfeld der Auktion nicht zur Kenntnis genommen haben, insgesamt 11 Briefe und Karten Mengeles an seine Frau Irene in den letzten 5 Jahren bei Auktionen in den USA und Großbritannien versteigert worden, darunter auch der gegenwärtig zur Versteigerung ausgerufene Brief von 1942 nach Freiburg. Die Provenienzengeschichte derselben blieb bislang völlig ungeklärt; Anbieter wie auch neue Besitzer blieben, wie üblich, jeweils anonym.

Ich habe diese Briefe, auch den von Ihnen "ausgerufenen" und "geschätzten", im Rahmen eines Aufsatzes vollständig transkribiert, kommentiert und dabei die Mengele-Nachlassproblematik eigens thematisiert; nachzulesen in:

Markus Wolter: Der SS-Arzt Josef Mengele zwischen Freiburg und Auschwitz – Ein örtlicher Beitrag zum Banalen und Bösen. In: „Schau-ins-Land“, Zeitschrift des Breisgau-Geschichtsvereins. 133. Jahrbuch 2014, Freiburg (2015), S. 149-189.

Ich bitte um gelegentliche Stellungnahme in dieser Sache.
Mit freundlichen Grüßen
Markus Wolter
Freiburg