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Bibliothekarische Stimmen. Independent, täglich.

29. April 2009
von Wissenschaftsurheberrecht
Kommentare deaktiviert für Open Access und „staatsferne Wissenschaft“

Open Access und „staatsferne Wissenschaft“

In der heutigen Ausgabe der FAZ beargwöhnt der Münchener Zivilrechtler Volker Rieble die Verfassungsmäßigkeit eines Zwangs zu Open Access.
Volltext

Bei dieser Gelegenheit kritisiert er auch die Hochschulschriftenserver. Wissenschaftliches Publizieren sei staatsfern. Rieble vergleicht es mit der allgemeinen Pressefreiheit.

Dem kann nicht gefolgt werden. Anders als bei der Presse, wird Wissenschaft in Deutschland ganz überwiegend staatlich veranstaltet. Es ist befremdlich, einerseits die Professoren als Staatsbeamte den Eid auf die Verfassung schwören zu lassen, andererseits in der Publikation von Forschungsergebnissen auf öffentlich finanzierten Servern ein Verfassungsproblem zu erblicken.

Wenn der Staat die Forschung bezahlt, wieso darf er dann die Publikation der Ergebnisse nicht veranstalten? Entscheidend für das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit ist nicht die staatsferne Veranstaltung, sonst wären die staatlichen Hochschulen allesamt verfassungswidrig, sondern die Freiheit der Inhalte. Diese aber wird durch von Wissenschaftlern selbst bestückte Server nicht verletzt.

Uninformiet ist dieser Satz Riebles: "Klar ist zunächst eines: Aus der Bibliotheksfunktion lassen sich keine Publikationsrechte ableiten. Eine Bibliothek produziert nicht; sie hat nur Hilfsfunktion."

Klar ist aber dies: Es gibt Bibliotheken an Hochschulen gar nicht als eigene Rechtspersönlichkeit. Hier handeln allein die Hochschulen. Bibliotheken sind nur Funktionseinheiten, die Hochschulfunktionen ausüben. Ein Server kann auch von einem Rechenzentrum betrieben werden. Wenn aber die Hochschule handelt, dann gilt: eine Hochschule produziert sehr wohl!

Zudem sind Bibliotheken seit jeher Publikationsorte gewesen. Bereits das Einstellen von Büchern in den Lesesaal ist eine Verbreitung im Sinne des Urheberrechts. Bei den klassischen Hochschulschriften unterhalten die Bibliotheken überdies seit Jahrzehnten den Hochschulschriftentausch und besorgen auf Grundlage der Promotionsordnungen die Publikation von Dissertationen. So einfach, wie Rieble das behauptet, liegen die Dinge nicht.

Dass Bibliotheken Server betreiben, eine logische Fortsetzung des alten Hochschulschriftentauschs, ist in einigen Bundesländern sogar gesetzlich vorgesehen, so in § 38 Abs. 1 Satz 2 der Thüringer Hochschulgesetzes: "Die Hochschulbibliotheken ... fördern durch die Bereitstellung einer geeigneten Infrastruktur das elektronische Publizieren und den Aufbau digitaler Bibliotheken." Eine ähnliche Regelung gibt es in Brandenburg.

Eine kleine Anmerkung am Rande: Rieble schreibt über Dinge, die er offenbar nicht aus eigener Anschauung kennt. Die Juristische Fakultät in München kennt bis heute in ihrer Promotionsordnung keine elektronische Disseration. Die Einfürhung der elektronischen Disseration wurde übrigens 1997 (!) von der KMK beschlossen.
Volltext

Unter den 5355 elektronischen Hochschulschriften der LMU München findet sich eine (!!) juristische Arbeit, ein Retrodigitalisat von 1952...
Seite der UB München.

Riebles Artikel - Nachrichten aus der Steinzeit ...

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29. April 2009
von Wissenschaftsurheberrecht
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Open Access und „staatsferne Wissenschaft“

In der heutigen Ausgabe der FAZ beargwöhnt der Münchener Zivilrechtler Volker Rieble die Verfassungsmäßigkeit eines Zwangs zu Open Access.
Volltext

Bei dieser Gelegenheit kritisiert er auch die Hochschulschriftenserver. Wissenschaftliches Publizieren sei staatsfern. Rieble vergleicht es mit der allgemeinen Pressefreiheit.

Dem kann nicht gefolgt werden. Anders als bei der Presse, wird Wissenschaft in Deutschland ganz überwiegend staatlich veranstaltet. Es ist befremdlich, einerseits die Professoren als Staatsbeamte den Eid auf die Verfassung schwören zu lassen, andererseits in der Publikation von Forschungsergebnissen auf öffentlich finanzierten Servern ein Verfassungsproblem zu erblicken.

Wenn der Staat die Forschung bezahlt, wieso darf er dann die Publikation der Ergebnisse nicht veranstalten? Entscheidend für das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit ist nicht die staatsferne Veranstaltung, sonst wären die staatlichen Hochschulen allesamt verfassungswidrig, sondern die Freiheit der Inhalte. Diese aber wird durch von Wissenschaftlern selbst bestückte Server nicht verletzt.

Uninformiet ist dieser Satz Riebles: "Klar ist zunächst eines: Aus der Bibliotheksfunktion lassen sich keine Publikationsrechte ableiten. Eine Bibliothek produziert nicht; sie hat nur Hilfsfunktion."

Klar ist aber dies: Es gibt Bibliotheken an Hochschulen gar nicht als eigene Rechtspersönlichkeit. Hier handeln allein die Hochschulen. Bibliotheken sind nur Funktionseinheiten, die Hochschulfunktionen ausüben. Ein Server kann auch von einem Rechenzentrum betrieben werden. Wenn aber die Hochschule handelt, dann gilt: eine Hochschule produziert sehr wohl!

Zudem sind Bibliotheken seit jeher Publikationsorte gewesen. Bereits das Einstellen von Büchern in den Lesesaal ist eine Verbreitung im Sinne des Urheberrechts. Bei den klassischen Hochschulschriften unterhalten die Bibliotheken überdies seit Jahrzehnten den Hochschulschriftentausch und besorgen auf Grundlage der Promotionsordnungen die Publikation von Dissertationen. So einfach, wie Rieble das behauptet, liegen die Dinge nicht.

Dass Bibliotheken Server betreiben, eine logische Fortsetzung des alten Hochschulschriftentauschs, ist in einigen Bundesländern sogar gesetzlich vorgesehen, so in § 38 Abs. 1 Satz 2 der Thüringer Hochschulgesetzes: "Die Hochschulbibliotheken ... fördern durch die Bereitstellung einer geeigneten Infrastruktur das elektronische Publizieren und den Aufbau digitaler Bibliotheken." Eine ähnliche Regelung gibt es in Brandenburg.

Eine kleine Anmerkung am Rande: Rieble schreibt über Dinge, die er offenbar nicht aus eigener Anschauung kennt. Die Juristische Fakultät in München kennt bis heute in ihrer Promotionsordnung keine elektronische Disseration. Die Einfürhung der elektronischen Disseration wurde übrigens 1997 (!) von der KMK beschlossen.
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Unter den 5355 elektronischen Hochschulschriften der LMU München findet sich eine (!!) juristische Arbeit, ein Retrodigitalisat von 1952...
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Riebles Artikel - Nachrichten aus der Steinzeit ...

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7. April 2009
von Wissenschaftsurheberrecht
Kommentare deaktiviert für Die zwei Seiten der Wissenschaftsfreiheit

Die zwei Seiten der Wissenschaftsfreiheit

In der Frankfurter Rundschau vom 7. April bringt Uwe Jochum das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit gegen die Allianz der Wissenschaftsorganisationen in Stellung. Es gehe nicht an, so Jochum, wenn die Allianz erwarte und fordere, dass mit öffentlichen Mitteln finanzierte Forschung frei zugänglich zu publizieren sei. Dies greife in das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit der Autorinnen und Autoren ein.

Volltext.

"Wenn die Allianz nun also meint, sie könne den Wissenschaftlern vorschreiben, unter welchen Bedingungen sie zu veröffentlichen haben, dann zwingt sie die Wissenschaftler zur Preisgabe eines Verfassungsrechts."

Die Publikationsfreiheit, deren genauer Inhalt - rechtswissenschaftlich jedenfalls - noch nicht in allen Facetten ausgeleuchtet ist, ist aber nur die eine Seite der Wissenschaftfreiheit. Freie Forschung heißt auch, ungehinderte Recherche. Das ist die andere Seite.

Wer über Publikationsfreiheit redet, sollte die Recherchefreiheit nicht vergessen.

Ein wissenschaftlicher Autor hat gegenüber dem Kommunikationssystem Wissenschaft eine gewisse Verantwortung. Diese Verantwortung umfasst die Sorge für eine angemessene Sichtbarkeit der Publikation. Die Recherchefreiheit der vielen begrenzt die Publikationsfreiheit des einzelnen.

Um es auf die Spitze zu treiben: Wer nicht mehr recherchieren kann, kann auch nicht wissenschaftlich publizieren. Ihm bleiben nur Roman, Gedicht und Selbstgespräch.

Das aber ist nicht mehr Wissenschaft. Das ist "nur" noch Kunst, ihre schöne, aber introvertierte Schwester.

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7. April 2009
von Wissenschaftsurheberrecht
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Die zwei Seiten der Wissenschaftsfreiheit

In der Frankfurter Rundschau vom 7. April bringt Uwe Jochum das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit gegen die Allianz der Wissenschaftsorganisationen in Stellung. Es gehe nicht an, so Jochum, wenn die Allianz erwarte und fordere, dass mit öffentlich...

7. April 2009
von Wissenschaftsurheberrecht
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Die zwei Seiten der Wissenschaftsfreiheit

In der Frankfurter Rundschau vom 7. April bringt Uwe Jochum das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit gegen die Allianz der Wissenschaftsorganisationen in Stellung. Es gehe nicht an, so Jochum, wenn die Allianz erwarte und fordere, dass mit öffentlichen Mitteln finanzierte Forschung frei zugänglich zu publizieren sei. Dies greife in das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit der Autorinnen und Autoren ein.

Volltext.

"Wenn die Allianz nun also meint, sie könne den Wissenschaftlern vorschreiben, unter welchen Bedingungen sie zu veröffentlichen haben, dann zwingt sie die Wissenschaftler zur Preisgabe eines Verfassungsrechts."

Die Publikationsfreiheit, deren genauer Inhalt - rechtswissenschaftlich jedenfalls - noch nicht in allen Facetten ausgeleuchtet ist, ist aber nur die eine Seite der Wissenschaftfreiheit. Freie Forschung heißt auch, ungehinderte Recherche. Das ist die andere Seite.

Wer über Publikationsfreiheit redet, sollte die Recherchefreiheit nicht vergessen.

Ein wissenschaftlicher Autor hat gegenüber dem Kommunikationssystem Wissenschaft eine gewisse Verantwortung. Diese Verantwortung umfasst die Sorge für eine angemessene Sichtbarkeit der Publikation. Die Recherchefreiheit der vielen begrenzt die Publikationsfreiheit des einzelnen.

Um es auf die Spitze zu treiben: Wer nicht mehr recherchieren kann, kann auch nicht wissenschaftlich publizieren. Ihm bleiben nur Roman, Gedicht und Selbstgespräch.

Das aber ist nicht mehr Wissenschaft. Das ist "nur" noch Kunst, ihre schöne, aber introvertierte Schwester.

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2. April 2009
von Wissenschaftsurheberrecht
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Grünbuch-Stellungnahmen

Die Stellungnahmen zum Grünbuch sind online einsehbar. Es stehen fast 370 Dokumente zur Verfügung. Link zu den Dokumenten. Kommentare

23. März 2009
von Wissenschaftsurheberrecht
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Heidelberger Leimrute

Auf den Seiten des Heidelberger Instituts für Textkritik, einer germanistischen Forschungseinrichtung, findet sich ein bemerkenswerter Appell zum Urheberrecht. Für Publikationsfreiheit und die Wahrung der Urheberrechte. Es geht darum, die Publika...

23. März 2009
von Wissenschaftsurheberrecht
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Heidelberger Leimrute

Auf den Seiten des Heidelberger Instituts für Textkritik, einer germanistischen Forschungseinrichtung, findet sich ein bemerkenswerter Appell zum Urheberrecht.

Für Publikationsfreiheit und die Wahrung der Urheberrechte.

Es geht darum, die Publikationsfreiheit der Autoren zu sichern. Der Gesetzgeber wird aufgerufen, sich schützend vor wissenschaftliche Autoren zu stellen.

Zwei Bedrohungen gilt es abzuwehren: Google und Open Access.

Interessanterweise kommt der Begriff Open Access - anders als Google - im Text des Aufrufs gar nicht vor. Erst das Eindringen in die weiteren Materialien der Homepage lässt erkennen, worum es geht.

Es finden sich dafür aber Sätze in dem Aufruf, die auch Vertreter der Open Access-Bewegung mühelos unterschreiben können, etwa diesen:

"Es muß auch künftig der Entscheidung von Schriftstellern, Künstlern, Wissenschaftlern, kurz: allen Kreativen freigestellt bleiben, ob und wo ihre Werke veröffentlicht werden sollen. Jeder Zwang, jede Nötigung zur Publikation in einer bestimmten Form ist ebenso inakzeptabel"

Genau! Soweit dies gegen Kneblverträge von Großverlagen geht. Wunderbar! Das liegt ganz auf der Linie des immer wieder geforderten Zweitveröffentlichungsrechts in § 38 UrhG. Danach sollen wissenschaftliche Autoren unabhängig vom Verlagsvertrag in der Lage sein, ihre Werke ins Netz zu stellen, wenn sie das denn wollen. Genau das ist die Freiheit, die es vor ungünstigen Verlagsverträgen zu schützen gilt. Hier kommt der Urheber zu seinem Recht.

Aber: Das meinen die Initiatoren des Aufrufs wohl nicht. Sie wenden sich gegen die (internationale) wissenschaftspolitische Großwetterlage, die Open Access favorisiert.

Es fällt auf, dass die Hauptgruppe der Unterzeichner aus der deutschsprachigen Geisteswissenschaft kommt. Dass Universitäten wie Harvard oder das MIT sich Open Access auf die Fahne geschrieben haben und aktiv unterstützen, sei in diesem Kontext kurz bemerkt, ist für deutsche Literaturwissenschaftler vielleicht auch nicht wichtig.

Doch zurück zum Aufruf. Warum wird nicht Klartext geredet? Etwa: "Wir sind gegen Open Access!"

Stattdessen wohlklingende Sätze, die ohne die (zeit)intensive Lektüre der weiteren Texte der Homepage ihre wahre Stoßrichtung nicht offenbaren.

Dieser merkwürdige Aufruf erinnert an Methoden, die man sonst im Umfeld von Haustürgeschäften und Kaffeefahrten vermuten würde. Offenbar wirkt es!

Ad exemplum:

Zu den Unterzeichnern gehören Tom van Endert und Johannes Monse, beide Geschäftsführer des Verlagshaus Monsenstein & Vannerdat OHG in Münster.

Der MV-Verlag befürwortet Open Access. In einem Handout des Verlages ist zu lesen:

"Open Access und Buchpublikation werden oft als unvereinbar angesehen. Viele Verleger fürchten, dass durch den freien Zugang zu den Werken via Open Access der Absatz einer teuer produzierten Print-Auflage gefährdet sein könne und ein wirtschaftliches Publizieren Seite an Seite mit einem kostenfreien Download unmöglich sei. Viele Verleger sehen bei einem freien Zugang zu den Schriften im Download zudem auch rechtliche Probleme. Wir sehen dies alles natürlich ganz anders. Wir halten den freien Zugang zu wissenschaftlichen Werken via Open Access sogar für vorteilhaft – gerade auch in wirtschaftlicher Hinsicht –, sofern bestimmte Regeln für die gedruckte Buchpublikation beachtet werden."

Quelle.

Dagegen Roland Reuß, der Initiator des Aufrufs. Er findet, dass durch Open Access: "die bewährte Infrastruktur mittelständischer Wissenschaftsverlage" "leichtfertig aufs Spiel gesetzt wird".

Quelle.

Die Unterschrift der Geschäftsführer eines bekennenden OA-Verlages ist sicher nur eine kleine Randgeschichte. Aber sie wirft ein spezielles Licht auf die Heidelberger Aktion. Sie nicht als - durchaus geschickte - "Leimrute" zu bezeichnen, fällt schwer.

Wichtige Ergänzung
Der MV-Verlag hat seine Unterschrift mittlerweile zurückgezogen. meldet Bernd-Christoph Kämper bei Twitter.

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