In der heutigen Ausgabe der FAZ beargwöhnt der Münchener Zivilrechtler Volker Rieble die Verfassungsmäßigkeit eines Zwangs zu Open Access.
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Bei dieser Gelegenheit kritisiert er auch die Hochschulschriftenserver. Wissenschaftliches Publizieren sei staatsfern. Rieble vergleicht es mit der allgemeinen Pressefreiheit.
Dem kann nicht gefolgt werden. Anders als bei der Presse, wird Wissenschaft in Deutschland ganz überwiegend staatlich veranstaltet. Es ist befremdlich, einerseits die Professoren als Staatsbeamte den Eid auf die Verfassung schwören zu lassen, andererseits in der Publikation von Forschungsergebnissen auf öffentlich finanzierten Servern ein Verfassungsproblem zu erblicken.
Wenn der Staat die Forschung bezahlt, wieso darf er dann die Publikation der Ergebnisse nicht veranstalten? Entscheidend für das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit ist nicht die staatsferne Veranstaltung, sonst wären die staatlichen Hochschulen allesamt verfassungswidrig, sondern die Freiheit der Inhalte. Diese aber wird durch von Wissenschaftlern selbst bestückte Server nicht verletzt.
Uninformiet ist dieser Satz Riebles: "Klar ist zunächst eines: Aus der Bibliotheksfunktion lassen sich keine Publikationsrechte ableiten. Eine Bibliothek produziert nicht; sie hat nur Hilfsfunktion."
Klar ist aber dies: Es gibt Bibliotheken an Hochschulen gar nicht als eigene Rechtspersönlichkeit. Hier handeln allein die Hochschulen. Bibliotheken sind nur Funktionseinheiten, die Hochschulfunktionen ausüben. Ein Server kann auch von einem Rechenzentrum betrieben werden. Wenn aber die Hochschule handelt, dann gilt: eine Hochschule produziert sehr wohl!
Zudem sind Bibliotheken seit jeher Publikationsorte gewesen. Bereits das Einstellen von Büchern in den Lesesaal ist eine Verbreitung im Sinne des Urheberrechts. Bei den klassischen Hochschulschriften unterhalten die Bibliotheken überdies seit Jahrzehnten den Hochschulschriftentausch und besorgen auf Grundlage der Promotionsordnungen die Publikation von Dissertationen. So einfach, wie Rieble das behauptet, liegen die Dinge nicht.
Dass Bibliotheken Server betreiben, eine logische Fortsetzung des alten Hochschulschriftentauschs, ist in einigen Bundesländern sogar gesetzlich vorgesehen, so in § 38 Abs. 1 Satz 2 der Thüringer Hochschulgesetzes: "Die Hochschulbibliotheken ... fördern durch die Bereitstellung einer geeigneten Infrastruktur das elektronische Publizieren und den Aufbau digitaler Bibliotheken." Eine ähnliche Regelung gibt es in Brandenburg.
Eine kleine Anmerkung am Rande: Rieble schreibt über Dinge, die er offenbar nicht aus eigener Anschauung kennt. Die Juristische Fakultät in München kennt bis heute in ihrer Promotionsordnung keine elektronische Disseration. Die Einfürhung der elektronischen Disseration wurde übrigens 1997 (!) von der KMK beschlossen.
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Unter den 5355 elektronischen Hochschulschriften der LMU München findet sich eine (!!) juristische Arbeit, ein Retrodigitalisat von 1952...
Seite der UB München.
Riebles Artikel - Nachrichten aus der Steinzeit ...